Die Grappe spiegeln die Weinanbaugebiete mit ihren Besonderheiten und die Traubenvielfalt Italiens wider. Aromenwelten liegen zwischen einem Nebbiolo-Grappa aus Barolo im Piemont und einem Grappa aus Gewürztraminer aus Südtirol, zwischen einem jungen klaren Trebbiano-Grappa und einem gereiften und im Holzfass gelagerten Grappa Riserva aus dem Brunello-Gebiet.
Vom Aschenputtel zur Prinzessin – Die (R)Evulotion des Grappa
Viele Jahre war der Grappa als grob geschnitzter Bauernschnaps verpönt und gerade noch als Abbeizmittel zu gebrauchen. Doch diese Zeiten sind vorbei. Heute gehört der Grappa zu den edelsten und feinsten Destillaten, die die Weinwelt zu bieten hat. Alles fing mit den Jesuiten im 16. Jahrhundert an. Die Destillationstechnik kam zwar schon früher nach Italien, doch die gelehrten Brüder des Orden der Gesellschaft Jesu begannen die Technik zu verfeinern. Aus der gleichen Zeit stammen die ersten schriftlichen Belege der Grappa-Herstellung. Ein Notar aus dem Piemont übertrug testamentarisch seinen Nachfahren größere Mengen an grappe sowie die Anlagen zur Destillation.
Im Ersten Weltkrieg schweißte der Grappa mit dem aufkommenden italienischen Nationalbewusstsein die Soldaten in den Schützengräben zusammen und wärme Körper und Seelen. Der internationale Durchbruch kam allerdings erst Mitte des 20. Jahrhunderts, als die Destillationstechnik einen großen Sprung nach vorne machte. Grappa wurde jetzt mehrfach unter verschiedenen Temperaturen destilliert, um so möglichst viele unterschiedliche Aromen zu selektieren.
Grappa wird im Gegensatz zu Weinbrand aus dem Trester, also den Rückständen beim Traubenpressen, gewonnen. Er ist also eigentlich ein Abfallprodukt. Heute werden die Trauben bei der Weinbereitung deutlich schonender gepresst, als noch vor Jahrzehnten. Weniger Bitterstoffe gelangen so in den Trester und gleichzeitig bleibt mehr Traubenextrakt zurück. Ein weiterer Unterschied liegt in der Verarbeitung von rotem und weißem Trester. Beim Rotwein gärt der Wein bereits auf den Schalen. Der Trester kann somit direkt zum Grappa verarbeitet werden. Beim Weißwein verbleibt der Most nicht auf dem Trester. Diesem muss zur Grappa-Herstellung noch Hefe zur Gärung beigefügt werden.
Die Vielfalt der Grappe
Wenn auch der Ursprung der Grappa-Herstellung im Norden Italiens zu vermuten ist, so ist das edle Destillat heute im ganzen Land verbreitet und zeugt von der großen Palette an Traubensorten, Weinen, Landschaften und Ausbaumethoden.
Die meisten grappe sind klar wie Kristall. Sechs Monate lagern junge Grappas in Stahltanks oder Glasbehältern. Einen gelblichen, honigfarbenen Ton bekommen Grappa Vecchia und Grappa Invecchiata nach mindestens zwölf Monaten Holzfasslagerung. Bräunlich bersteinfarben leuchtet ein gereifter Grappa Riserva oder Grappa Stravecchia nach mindestens 18 Monaten im Holzfass. Zuweilen lagern die Grappe in Fässern unterschiedlicher Röstung und Holzsorte, bis sie in die Flasche kommen. Dies bleibt das Geheimnis der Kellermeister.
Verschiedene Traubensorten bringen ebenfalls unterschiedliche Aromen in den Grappa ein. Im Piemont entstehen Grappe aus Nebbiolo, Barbera, Malvasia und Brachetto. Grappe aus der Muskatella-Traube sind süßlich und würzig. Ein holzfassgelagerter Grappa aus Apulien, reinsortig aus Primitivo-Trester destilliert, speichert die ganze Aromenvielfalt Italiens Süden. Trinken Sie diesen aus bauchigen Weinbrandgläsern, damit er seine leicht flüchtigen und feinen Düfte entfalten kann. Junge, klare Grappe genießt man am besten aus einem schmalen Tulpenglas – nicht zu warm, bei etwa 10 bis 16 °C. Riechen Sie immer nur kurz, aber dafür häufiger an dem Destillat, damit der Alkohol nicht die Nase blockiert. So wird Grappa Trinken zum Genuss.