Roederer
Viel ist schon über Champagner geschrieben worden, und es ist dem kaum etwas beizufügen, außer vielleicht, dass man Louis-Roederers Champagner sich einmal im Leben leisten sollte (und soo teuer ist das spezielle Vergnügen auch wieder nicht). Falls Sie also nach Reims in Frankreich kommen, so versuchen Sie wenigstens, einen Blick auf das stattliche Anwesen zu ergattern, sollte Ihnen eine der seltenen aber erlesenen Degustationen im Louis-Roederer-Stadtpalais verschlossen bleiben… was, ehrlicherweise zugegeben, nur ganz wenigen gelingt.
Der beste Champagner der Welt: Die Zeit ist der beste Verbündete…
Der Vizepräsident des Champagnerhauses Louis-Roederer, Michel Janneau, bringt es auf den Punkt: „Sie, niemand sonst, Sie müssen selbst mit ihrem Champagner kommunizieren und Ihre eigene Beziehung aufbauen.“ Hier vertraut jemand ganz offensichtlich auf die Eigenwirkung des Erzeugnisses, schlicht gesagt: auf seinen Geschmack. Genießen soll man den Champagner aus dem Hause Roederer – nicht beschreiben und klassifizieren, wie Sommeliers und Weinkenner es gerne tun. Down to earth also? Nun, ganz ehrlich, das geht für viele bei den Preisen, die der erlesene Champagner kostet, eben doch nicht. Das berühmteste „Champagnerkind“ aus dem Roederer-Haus ist der Champagner „Cristal“, so benannt nach seiner speziellen Flasche aus Kristall. Bei diesem feinen Champagner kommen nur die besten Crus aus dem eigenen Anbau zusammen. Verwendung finden 50 bis 60 % Pinot Noir und 40 bis 50 % Chardonnay. Gelagert werden die traditionellen Flaschen, die für den Zaren Alexander II. entwickelt wurden, im gelben Zellophan eingewickelt.
Das Roederer-Weinanwesen verfügt über 240 Hektar Weinberge, die vorwiegend Grands- und Premiers Crus-Gebiete an der Marne sind. Die Weintrauben für die Roederer-Champagner kommen ausschließlich von den eigenen 410 Parzellen. Das ist in der Champagne alles andere als üblich, wo meistens Trauben bzw. Weine zur Weiterverarbeitung zugekauft werden.
Das Familienunternehmen Roederer besteht bereits in siebenter Generation und ist bemüht, möglichst große Vielfalt an Anbaugebieten, das heißt am unterschiedlichen Terroir und damit an unterschiedlichen Trauben in ihre Champagnerproduktion einfließen zu lassen. Entscheidend für den Erfolg des Unternehmens ist die unermüdliche, häufig schon visionäre Experimentierfreude, die zu den besten Champagner des Unternehmens führte. Die kreativen Möglichkeiten liegen in der Vielfalt der Grundweine, die sich aus den drei wichtigsten Anbaugebieten der Champagne speist, namentlich aus den Parzellen in den Reimser Bergen, im Marne-Tal und in der Côte des Blancs.
Die Firmenphilosophie beruht wesentlich auf der vorsichtigen Arbeit an den Reben im Weinberg, der Berücksichtigung des Terroirs und organische Anbaumethoden. Die so für den Champagner entstehenden Weine, sind Weine, so Roederer, „nach Maß“. An der Vinifizierung arbeiten die besten Önologen – drei Frauen und drei Männer – unter der Leitung des Kellermeisters Jean-Baptiste Lecaillon. Er ist der Dirigent dieses großen „Champagnerchors“ und hauptverantwortlich für den Stil des Hauses Roederer.
Die Weine entstehen in 560 großen sogenannten Limousin-Eichenfässern und Edelstahltanks. Die Flaschenabfüllung geschieht von Mai bis Juli. Die Flaschen reifen dann auf der untersten, das heißt, kühlsten Etage des Weinkellers weitere vier bis sechs Jahre. Nachhaltigkeit, naturnahe Anbaumethoden und Ertragsminimierung sind für das Weingut selbstverständlich.
Roederer: wo Trauben in himmlische Regionen vorstoßen können
Das Unternehmen Louis-Roederer beherrscht die Perfektion – kaum verwunderlich, denn nur so können exquisite Champagner von kontinuierlich hoher Qualität entstehen. Von Hand in Körben eingesammelt werden die Trauben sogleich vor Ort gepresst. Da der Champagner seine typisch helle Farbe und Reinheit erhalten muss, darf die Farbe der Weinbeeren nicht in den Saft bei der Pressung übergehen – das erfordert eine große Könnerschaft beim Pressvorgang. In die Weiterverarbeitung gelangt nur die erste Pressung, die zweite wird weiterverkauft. Der Most ist nach Parzelle sortiert und wird in 450 Edelstahltanks einzeln verarbeitet und täglich von dem Önologenteam verkostet. Anschließend erfolgt eine penible Klassifizierung der Weine nach Temperament, Aroma und Geschmack. Auf diese Weise entstehen nicht nur charaktervolle Weinpersönlichkeiten, sondern auch die Möglichkeit einer ganz genauen Zurückverfolgbarkeit der Champagnerflaschen. Aus dem Hause Roederer hört man: „In jedem Fass lebt der Wein – wie ein eigenständiges Wesen mit seinen Stärken und manchmal auch Schwächen. Die Önologen geben ihm die Möglichkeit, sich mit all seinen Eigenschaften auszudrücken. In diesem Stadium offenbaren die Trauben ihre ganze Reichhaltigkeit und Vielfältigkeit.“
Im Weingut Louis-Roederer gedeihen jene drei Rebsorten, die für den Champagner zugelassen sind: Chardonnay, Pinot Noir und Pinot Meunier. Sie alle spielen ihre ganz spezielle, unverzichtbare Rolle, in dem „Gesamtkunstwerk“ Roederer-Champagner: Von dem Chardonnay bekommt er seine mineralische Noten und eine besondere perlige Feinheit, für seine gute Struktur und Konstitution, aber vor allem für seine Langlebigkeit sorgt der Pinot Noir, hingegen macht der Pinot Meunier die Cuvées weicher und abgerundeter. Das I-Tüpfelchen in der Perfektion ist das Etikett. Es ist das „Kleid“ der Vorzeigekreation des Roederer-Hauses, des Champagner „Brut Nature“, den kein geringer als Philippe Starck entwarf.
Wo Zaren die Geschichte des Champagnerhauses beeinflussten
Das heutige Haus „Champagne Louis-Roederer“, wie es vollständig heißt, geht zurück auf das Champagnerhaus, das möglicherweise schon 1730, mit Sicherheit aber 1776 vom Vater und Sohn Dubois gründet wurde. Sie verkauften ihr Unternehmen im Jahre 1827 an Nicolas-Henri Schreider, der seinen Neffen Louis Roederer in das Unternehmen aufnahm. Louis Roederer, nach dem das Champagnerhaus bis heute benannt ist, erbte das Unternehmen 1833. Er hatte zwei Leitideen: unabhängig von Lieferanten zu werden – dafür kaufte er selektiv einige der besten Parzellen unter den Grands Crus in der Champagne – und seine Champagner weltweit bekannt zu machen. Dabei versuchte er einen eigenen, unvergesslichen Geschmacksstil zu entwickeln und knöpfte teils sehr erfolgreich Kontakte in die USA und zum Zaren Alexander I. nach Russland.
Nach Roederers Tod 1870 übernahm sein Sohn Louis Roederer II. das Unternehmen. Louis Roederer II. führte das, was sein Vater auf den Weg brachte, mit besten Visionen fort. Seine Passion wurde die Champagnerforschung. Es war das Jahr 1876 als Zar Alexander II. Roederer beauftragte, einen ganz persönlichen Champagner für das Zarenhaus zu kreieren. Der Zar wünschte süße Champagner, die dem modernen Gaumen kaum zusagen würden, und transparente Kristallflaschen mit flachem statt gewölbten Boden. Es heißt, der Zar fürchtete in dem politisch zerrütteten Russland Attentate auf sich und seine Familie – eine Sorge, die durchaus berechtigt war. Mit dem flachen Flaschenboden sollte vermieden werden, dass in der üblichen Bodendelle ein kleiner Sprengsatz sich verstecken könnte. Durch die kristallklare Flasche hoffte man hingegen, eine giftige Beimischung rechtzeitig zu entdecken. Wahrscheinlicher ist aber, dass der Kellermeister des Zaren die Champagnerflaschen von Eugen Merciers Flaschenkreation für den Wein von Napoleon III., den Réserve de l'Empereur Blanche, begeistert war und diese gleichfalls fürstliche Flaschenform für seinen Zaren wollte. Mit dem Zar Nikolaus II. wurde das Haus Roederer offizieller Hoflieferant. Es behielt das Zarenwappen auf dem Flaschenetikett bis heute. So entstand 1876 der erst, nach einer neuen Idee gestaltete Champagner „Cuvée de Prestige“, ein Champagner mit Stil, Eleganz und subtilen geschmacklichen Nuancen, der später den Namen „Cristal“ erhielt. Für den Zaren in besonders süßer Ausführung.
Nach dem unerwarteten Tod von Louis Roederer II. im Jahr 1880 wurde das Champagnerunternehmen von seiner Schwester Léonie Orly geleitet. Acht Jahre später übernahmen die Leitung ihre beiden Söhne, Léon Orly und Louis-Victor Orly, die offiziell ihre Nachnahmen um den Namen Roederer erweiterten. Mit der russischen Revolution und dem Einbruch des Marktes kam das Champagnerhaus Louis-Roederer 1917 in eine schwere Krise. Eine große offene Champagnerrechnung wurde nicht beglichen und die stark gesüßten Champagner des Zaren, die noch im Weinkeller lagerten, fanden keine Abnehmer in Europa. Das Unternehmen konnte sich glücklich schätzen, dass es schließlich in Südamerika einen Abnehmer für diese ungewöhnliche Charge fand. Auch Léon Olry Roederer hatte eine Vision: einen mehrjährigen Schaumwein von konstant hoher Qualität zu kreieren. Mit ihm wurde der Grundstein für den späteren „Brut Premier“ gelegt.
Ab 1932 übernahm seine Witwe Camille Orly Roederer für die nächsten 42 Jahre die Geschäftsführung. Sie war eine Grand Dame und überaus tüchtige Geschäftsfrau, die Rennpferde liebte und sich als Kunstmäzenin hervortat. Das neue verfeinerte Image des Champagnerhauses Roederer geht auf ihre Fähigkeiten als Managerin und Marketingstrategin zurück. Sie gilt heute neben den Geschäftsfrauen Clicquot und Bollinger, zu den historischen Persönlichkeiten Frankreichs. Ihre berühmten Soireen, auf die sie gezielt die wichtigsten Weinkenner einlud, sind in die Annalen des Hauses Roederer eingegangen. Sie vermachte das Champagnerhaus ihrer Tochter Marcelle Rouzaud und ihrem Sohn Jean-Claude Rouzaud, einem studierten Önologen und Agrarwissenschaftler, der ab 1975 die Leitung das Champagnerhauses übernahm. Seine Ära ist durch Neustrukturierung der Weinberge gekennzeichnet, aber auch durch seine önologische Kenntnisse und Erfindermentalität. Jean-Claude Rouzaud wird zurecht als der Perfektionist des Hauses bezeichnet. Sein Sohn Frédéric Rouzaud leitet heutzutage das traditionsreiche Familienunternehmen, das bis heute in siebter Generation unabhängig agiert.
Heutzutage ist das Roederer-Unternehmen nicht mehr nur Champagne. Es expandierte sowohl in Frankreich als auch in Amerika. Zu seinen Anwesen in Frankreich gehören das Maison Delas im Rhonetal, Châteaux de Pez und Haut-Beauséjour in Bordeaux, Château Pichon-Longueville-Comtesse de Lalande und das Champagnerhaus Deutz. Außerhalb Frankreichs baute das Familienunternehmen das „Roederer Estate“ auf und „Scharffenberger“ in Kalifornien sowie das „Ramos Pinto“ in Portugal.
Diese Roederer-Schaumweine muss man sich erst einmal verdienen
An der Spitze des Weinportfolios von Louis-Roederer steht „Cristal“, der berühmte „Zaren-Champagner“ – natürlich längst nicht mehr süß! Sie können hierbei zwischen zwei Ausführungen als „Cristal“ und „Cristal Vinothèque“ jeweils in Weiß und Rosé wählen. „Cristal“ entsteht nur in den großen Weinjahren aus 40% Chardonnay und 60% Pinot Noir, die zu perfekter Reife gelangt sein müssen. Sechs Jahre wird er im Keller gelagert und darf nach dem Dégorgement auch noch acht weitere Monate reifen.
Zu den Champagnern des Hauses ohne Jahrgang zählen der „Brut Premier“ und „Carte Blanche“. Beide sind aus Weinen der drei Champagner-Traubensorten (Pinot Noir, Chardonnay, Pinot Meunier) hergestellt, die in Eichenfässern gereift sind und aus circa 50 verschiedenen Crus stammen. Der „Brut Premier“ wie auch der „Carte Blanche“ reifen je drei Jahre im Keller und sechs Monate nach dem Dégorgement. Sie bestehen beide aus mehreren Jahrgängen.
Jahrgangsweine von Louis-Roderer sind hingegen „Brut Vintage“, „Rosé Vintage“ und „Blanc de Blancs Vintage“. „Brut Vintage“ wird aus 70% Pinot Noir und 30% Chardonnay hergestellt, wobei circa 30% des Weins im Eichenfass ohne eine malolaktische Gärung gereift ist. Der „Brut Vintage“ lagert vier Jahre im Keller und sechs Monate nach dem Dégorgement. Etwas ganz besonderes sind die Champagner aus der „Unique Champagne“-Reihe, zu denen der „Brut Nature 2006“ und „Brut Nature“ 2009 zählen. Für Weinsammler ist der Louis-Roederer „Cristal 1993“ eine Option, bei der das Unternehmen unter Beweis stellt, wie hervorragend ihre Flaggschiffe altern können.
Louis Roederer
Gründungsjahr: 1776
Eigentümer: Jean-Claude Rouzaud
Kellermeister: Jean-Baptiste Lecaillon zusammen mit 6 Önologen
Jahresproduktion: ca. 4.500 000 Flaschen
Rebfläche: ca. 240 Hektar
Notabene: Normalerweise werden im Weingut Roederer und dem Stadtpalais in Reims weder Besucher empfangen noch Degustationen veranstaltet. Eine gute Option, das Haus dennoch kennenzulernen, sind die Sonderveranstaltungen der Roederer. Kunst ist die große Leidenschaft der letzten Generationen der Familie Roederer. Anders als viele kunstverliebte Winzer hat sich das Familienunternehmen dem mehr oder minder stillen Kunstsponsoring verschrieben. Achten Sie demnächst auf die Ausstellungen im Palais de Tokyo, im Grand Palais oder in der französischen Nationalbibliothek. Gesponsert werden darüber hinaus die Salzburger Festspiele und seit kurzem auch das Deauville American Film Festival. Übrigens, Ihre Roederer-Champagnerflasche können Sie auf der Homepage des Unternehmens zurückverfolgen.