Capichera
Dennoch erstaunt es, dass so manches sardisches Top-Weingut nicht wesentlich bekannter ist. Das kann man auch von Capichera behaupten, die fantastische, leicht mineralische Weißweine und beerige Rotweine produziert. Die Tenuta Capichera liegt circa 25 Kilometer nördlich von Olbia in einer spektakulären Gegend aus Granitgestein, der sogenannten Gallura, und ist für ihre Weißweine aus der uralten autochthonen Traubensorte Vermentino berühmt. Capichera steht gleicherweise für die Modernisierung des Weinausbaus auf Sardinien, ohne dabei die Tradition zu missachten. Modern an ihrem Ansatz ist der Ausbau der Weißen in Barrique. Mit diesem Schritt revolutionierte sie die Weinherstellungsmethoden der Insel und wurde zum Vorreiter und Maßstabgeber für die Herstellung von Qualitätsweinen aus den bis dato als minderwertig eingestuften einheimischen Traubensorten.
Man könnte sagen, Capicheras Erfolg ruht auf drei Säulen: der Verbindung von moderner Technik, strikter Qualitätskontrolle in den Weinbergen sowie während der Lese, auf neuen Ideen bei der Weinherstellung, sowie auf großem Respekt vor der Tradition des Weinanbaus, der in dieser Region seit Jahrtausenden betrieben wird. Von der uralten Kultur zeugen so fantastische Bauten wie das „Grab der Giganten“ und „Nuraghu La Prisgiona“, die sich beide neben Capicheras Weingütern befinden. Von der Qualität ihrer Weine zeugen herausragende Kritiken der Fachwelt. Robert Parker urteilt bereits 2004: „Capichera is Italy‘s - and probably the world’s - finest producer of Vermentino, and the late-harvest wine they make from the variety in vintages is, for me, Italy’s greatest white wine from a native grape.” Aber auch GAMBERO ROSSO vergibt gerne der Capichera „Drei Gläser“ und die berühmte Slow-Food-Vereinigung zeichnet die Weine der sardischen Tenuta mit dem “Slow Wine” aus, einer Auszeichnung, die nur naturnah und regional-traditionell arbeitenden Weingütern gegeben wird.
Capichera: der Vorreiter und Maßstabhalter Sardiniens
Das Weingut Capichera liegt in der Kommune Arzachena in der Provinz Sassari, circa 11 Kilometer von der fjordartigen Bucht von Cannigione und vom Golf von Arzachena entfernt. Das Meer versorgt die Weinberge im Sommer mit kühlenden Brisen und von den benachbarten Korkeichenwäldern und der Macchia rund um die Parzellen kommen die natürliche Feuchtigkeit und die typischen würzigen Düfte, die dieses Terroir so speziell machen. Die Bodenbeschaffenheit der Weinparzellen ist typisch für die wilde Gallura-Region. Es sind keine einfachen Böden, mit geringen Stickstoff- und Phosphormengen, dafür aber mit viel Kalium angereichert. Die Gallura – im sardischen Dialekt „Gaddura“ – ist eine Höhenzone aus Granitgestein, der sich unter sandige und kalksteinhaltige Bestandteile mischt. Der Granit ist es, der den Weinen der Capichera das besondere mineralische Etwas gibt. Trotz der Kenntnis darüber, dass hier schon früh Wein kultiviert wurde, muss man schon das richtige Können und etwas vom sechsten Sinn haben, um aus einer regionalen Weintraube, die in Italien als „minderwertig“ verschrien war, ein feines Bouquet in ungewöhnlichen Qualitätsweinen zu zaubern. Der Familie Ragnedda ist dies gelungen, mehr noch: Ihre Tenuta verbindet Weine höchster Qualität mit dem Charakter dieser noch teilweise urwüchsigen, seit jeher dünn besiedelten, zumal im 18. Jahrhundert durch die Pest entvölkerten Region.
Auf einem hügeligen Plateau vor den Granitbergen des Monte-Limbara-Massivs bewirtschaftet die Capichera äußerst umsichtig insgesamt circa 60 Hektar Land, das vor allem mit der weißen Vermentino und der roten Carignano, sowie geringeren Mengen Syrah und anderen autochthonen Rebsorten bestockt ist. Während die weißen Varietäten im Guyot-Schulsystem gezogen werden, wachsen die roten im Spornkordon und Arberello-Erziehungssystemen. Capichera produziert sowohl IGT- als aus DOCG-Weine aus der Appellation DOCG Vermentino di Sardegna beziehungsweise der IGT Isola dei Nuraghi. Bei der Vinifizierung kommen sowohl Stahltanks als auch Betonbottiche zum Einsatz. Eine Spezialität der Weinkellerei, wofür sie auch die Vorreiterrolle übernimmt, sind die Barriques, die im Alterungsprozess eine wichtige Rolle spielen. Die Tenuta Capichera rühmt sich, die allererste Weinkellerei zu sein, die die autochthone Vermentino in französischen Eichenfässern ausbaute und zu dem Top-Wein machte, die sie heute ist!
Capichera: Altes Land mit junger Weingeschichte
Die Familie Ragnedda besaß nachweislich schon seit dem 19. Jahrhundert Land in der nördlichen Region Sardiniens, doch inwiefern sie als Winzer tätig war, ist nicht überliefert. Es handelte sich vornehmlich um Weideland. Die Winzerspur der Familie lässt sich jedoch bereits in den 1920er Jahren aufnehmen, als Alberto Ragnedda circa 10 Hektar Land bei Arzachena, in einer wilden und wenig wirtschaftlichen Gegend erbte. Er produzierte daraus Wein, aber wie so häufig in der frühen Zeit war die Menge fast ausschließlich für den Hausgebrauch bestimmt. Die Familie Ragnedda lebte auf der höhergelegenen Farm nur in den Sommermonaten und hatte ansonsten ihren Hauptwohnsitz in dem Dorf Arzachena. Auch das ist eine übliche Praxis aus einer Zeit, in der Winzer sich gleichermaßen als Landwirte und Bauern betätigten. Erst in den 1970er Jahren entschied sich Albertos Sohn für die Erweiterung der Weinberge auf insgesamt 60 Hektar und den Ausbau des Anwesens zu einer reinen Tenuta mit einem neuen Weinkeller. Die Weinberge wurden mit der uralten Vermentino-Rebe, in der Region am besten gedeihende Rebsorte, bestockt, und der neue Weinkeller auf modernem Niveau ausgestattet. Doch es dauerte noch weitere 10 Jahre bis die Tenuta schließlich 1980 ihren Wein international unter dem Label „Capichera“ herausbrachte. Es war alles andere als einfach, sich auf dem großen Weinparkett zu behaupten, zumal Sardinien damals noch ein unbekannter Stern am Weinhimmel war. Das sollte sich nicht zuletzt dank der herausragenden Produkte der Capichera Weinkellerei ändern. Sie setzte zwar auf den damals wenig beachteten sardischen Klassiker der Weißweine, aber sie lieferte einen so ungewöhnlichen Vermentino ab, dass dies sich alsbald unter den Weintrinkern herumsprach. Sein volles Bouquet, die Samtheit am Gaumen und seine komplexe Struktur unterschieden ihn stark von den bis dato bekannten Vermentinos. Nicht nur das, er war auch wesentlich langlebiger.
Seit den 1980er Jahren führen Alberto, Fabrizio und Mario Ragnedda das Weingut, ganz im Sinne ihres Großvaters, und machen die Capichera-Weine besser und besser. Und das bezieht sich nicht nur auf die bekannten Weißen ihrer Weinkellerei. Es ist den Bemühungen des dreiköpfigen Teams zu verdanken, dass ihr Vermentino zum repräsentativsten Wein der Insel wurde.
Das Portfolio: eine große Schatztruhe
Die Weinkarte der Weinkellerei Capichera hat eine gute Größe mit fünf Weißweinen, vier Rotweinen und einem einzigen Rosé, dem „També“. Alle Sorten sind hervorragend komponiert und von einer schönen Ausgewogenheit der Tannine und bestens eingebundenen Säure. Überzeugend sind auch der anhaltende Abgang und die Langlebigkeit der Capichera-Weiß- und Rotweine. Die Vorzeigeweine und Spezialitäten der Capichera sind die weißen Vermentinos, für die die Weinkellerei gewissermaßen gerade steht. Der einfachste unter ihnen ist „Lintóri“ ITG, gefolgt von „Vign’Angena“ DOCG, „Capichera“ ITG, „Capichera VT“ ITG und „Santigaìni“ ITG. Die beiden letztgenannten gelten als Flaggschiffe des Unternehmens. Etwas ganz Spezielles ist der „Capichera VT“, der insgesamt bis zu drei Jahre altert bevor er die Kellerei verlässt. Doch das eigentliche Besondere an ihm ist sein Ausbau im Barrique, womit die Weinkellerei mit seiner Vinifizierung eine absolute Vorreiterrolle auf der Insel übernimmt. Dieser Wein ist reich an verschiedenen Noten, sowohl in der Nase als auch am Gaumen: von Orangenblüten bis hin zu Lavendel, Honig, Leder … und immer wieder die schöne Ergänzung durch die mineralischen Nuancen, die den Terroir widerspiegeln.
Die Weißen des Hauses Capichera haben eine blasse, strohgelbe Farbe, einige mit einem grünlichen Schimmer. Ein intensiver Duft nach fruchtigen Exoten wie Litschi und Ananas aber auch hier die Mineralität beschreibt in Stichpunkten den „Lintóri“. Der „Vign’Angena“ fällt hingegen blumiger aus: Orange-, Iris-, Zitrusblüten. Wie immer bei Capichera darf auch hier die Mineralität nicht fehlen. Alle, auch die einfacheren Weine der Capichera (doch was heißt hier schon „einfach“), haben einen runden und nachhaltigen Abgang.
Bei den Roten der Weinkellerei Capichera handelt es sich, abgesehen von einer Ausnahme, dem reinsortigen Syrahwein „Albóri di Làmpata“, um Cuvées aus verschiedenen autochthonen Sorten, vor allem aber aus Carignano, der wiederum mit geringen Beigaben von Syrah angereichert wird. Die Rotweine der Capichera wollen zu den Weißen des Hauses „passen“. Sie sind saftig, haben ein intensives Bouquet nach schwarzen Früchten und Beeren, mit spannenden Akzenten nach Pfeffer, Balsamico, Kaffee oder Leder und Trockenfrüchten.
Ein letztes Wort gebührt dem einzigen Rosé-Wein aus dem Hause Capichera: Der „També“, im Dialekt gleichbedeutend mit „So ist es“, wird aus den tiefroten Carignano-Trauben mit einer Prise anderer autochthoner Traubensorten vom weinguteigenem Palau-Weinberg gemacht. Er ist ein sehr duftender, trinkbarer Wein mit dem besonderen Etwas, das aus der Nähe des Weingartens zum Meer resultiert.
Man sollte sich auf keinen Fall von der unauffälligen Aufmachung der Labels der Capichera-Weine irreführen, denn hinter jedem Etikette verbirgt sich ein echter Wuchtwein.
Capichera
Gründungsjahr: 1920er/Neugründung 1975
Eigentümer: Familie Ragnedda
Önologe: Fabrizio Ragnedda
Jahresproduktion: ca. 300.000 Flaschen
Rebfläche: ca. 60 Hektar im konventionellen Anbau
Notabene: Uralte Gesichte säumt die Weingärten der Tenuta Capichera und ist unbedingt wert, auf einem ausgedehnten Ausflug per pedes entdeckt zu werden. Das bietet sich an zumal der Weinkeller der Capichera den Besuchern nicht offen steht. Am Rande der Weinberge befindet sich das faszinierende „Grab der Giganten“ aus der Bonnanaro-Kultur (Megalithen, 2.200–1.600 v. Chr.): Die „Tomba Coddu Vecchiu“, die zum fotografischen Wahrzeichen der Tenuta geworden ist. Nur wenige Gehminuten davon entfernt liegt das berühmte „Nuraghu La Prisgiona“, ein Bauwerk der bronzezeitlichen Nuraghen-Kultur auf Sardinien, welche auf die Bonnanaro folgte. Dieser Ausflug in die phantastische Vergangenheit der Insel lässt sich sehr gut kombinieren mit einer Degustation auf dem Capichera-Weingut. Im Übrigen, Capichera führt eine mit schönen Fotos bestückte Facebook-Seite.