Gravner
Man kann mit Fug und Recht behaupten, ohne ihn gäbe es keine Vini Naturali oder präziser: keine „orangenen Weine“ (Orange Wines) aus der Amphore in Italien. Die natürlich gewachsenen Trauben werden nach strengen organischen Grundsätzen mazeriert – anschließend ist im Wein nur das drin, was die Mutter Natur zuvor selbst geleistet und beigesteuert hat. Vergoren wird bei Joško Gravner in riesigen, an römisch-griechische Antike erinnernden Amphoren. Alleine dies ist sehenswert. Aber wer meint, ein Orange Wine kann einem herkömmlich hergestellten Wein nicht das Wasser reichen, der irrt gewaltig und wird von den exzellenten Weinen aus der „Weinmanufaktur“ Joško Gravner hoffentlich für immer eines Besseren belehrt.
Hier treffen Sie auf Weine, die sowohl Naturweine als auch Orange Wines sind und mit ausgezeichneten Qualitätsweinen problemlos mithalten – wenn nicht sogar sie überflügeln – können. Ihre Komplexität ist schwer zu beschreiben, das Aromaprofil hat das Potenzial, Grenzen zu sprengen, und die seidigen Tannine nebst ausballancierten Säuren straften die Pauschalkritiker ganz einfach Lügen. Das alles und noch viel mehr (schier nie endende Langlebigkeit) bieten die Weine aus dem Hause Gravner allerdings nur jemanden, der offen genug ist, sich erst einmal gründlich überraschen zu lassen. Gravner ist DER Tipp für diejenigen, denen die Hightech-Weinindustrie viele gute, aber am Ende dann doch zu viele nur austauschbare Weine bietet.
Joško Gravner: wo der moderne „Naturwein“ seine Wiege hat
Die Weinkellerei „Joško Gravner“, benannt nach dem Besitzer und Winzer Francesco, genannt Joško, liegt in Oslavia, nahe der Stadt Gorizia in der Region Friaul. Gravner gehören gut 32 Hektar Land auf beiden Seiten der italienisch-slowenischen Grenze in den Hügeln des Collio Goriziano (Brda auf Slowenisch) in Friaul-Julisch. 15 Hektar, neuerdings werden sie auf 18 Hektar erweitert, sind mit Weinreben bepflanzt, das restliche Land sind Wiesen, Auen und Tümpeln.
Auf den Weinbergen des Weinguts herrscht das Credo der natürlichen Weinherstellung und der absolute Respekt vor der Natur. Joško Gravners Weinbetrieb arbeitet nach organischen Grundsätzen und verzichtetet nicht nur auf alles, was den Reben und der Erde schädlich sein könnte, wie beispielsweise Pestizide, sondern mazeriert seine Trauben unter ganz speziellen langwierigen Prozessen ohne Zugabe von künstlichen Stoffen. Es beginnt damit, dass die Reben entsprechend dem Sonnen- und Mondkalender (siehe Homepage des Weinguts), sowie der Bodenbeschaffenheit und der Bodenneigung bepflanzt werden. Nach einer sorgfältigen Handlese gären die Trauben monatelang auf der eigenen Hefe. Als Mazerationsbehälter dienen dem Winzer große Tonamphoren, die er aus dem Kaukasus importiert. Joško Gravners Weinphilospohie kommt gleicherweise aus dieser Gegend, aus Georgien – aber auch aus dem traditionellen Wissen seines Vaters.
Einst setzte Gravner auf internationale Varietäten, mit denen er einige Erfolge bei Weinkritikern feierte, doch seit seiner Wende zu Vini Naturale (bzw. Orange Wine) bepflanzt er seine Weinfelder mit vor allem einheimischen Rebsorten wie Pinot Grigio – den „italienischen Riesling“ –, Pignolo und vor allem mit Ribolla Gialla. In den Weinbergen stehen 14.000 Rebstöcke pro Hektar, wobei der Stockbetrag auf 300 Gramm angegeben wird. Geerntet werden die Trauben nur im vollreifen zustand, denn nur so gelingt der natürliche Mazerationsvorgang, der in den Amphoren bis zu einem Jahr dauert. Dem schließt sich der Ausbau der Weine in Holzfässern, der bis zu sechs Jahren währt.
Joško-Gravner-Weingut steht seit den 2000er Jahren für herausragende, sogenannte „orangene“ Weine, die gerne auch englisch Orange Wines genannt werden. Strenggenommen sind diese in Amphoren, die in der Erde stecken, vergorene Weine keine sogenannten „Naturweine“ oder Vini Naturale, doch die Bezeichnungen gehen zuweilen durcheinander, vor allem wenn man hervorheben möchte, dass der orangene Wein ein natürlich und traditionell hergestellter Wein ist. Dabei ist Joško Gravner sehr darum bemüht, seine Weine nicht nur nach der georgischen Tradition – wie sie vor allem in dem georgischen Quevriwein zum Ausdruck kommt – in Amphoren mit langen Maischestandzeit zu keltern, sondern auch in Übereinstimmung mit der Natur, als eben doch auch als „Naturwein“ herzustellen.
Weinberge, die teilweise seit Jahrzehnten in Familienhand sind, werden von Gravener immer wieder neu überdacht und wenn erforderlich umstrukturiert. Zurzeit sind sie mit folgenden Reben bepflanzt: „Bracnik“ (kultiviert und rekultiviert 1974/2012) mit Pinot Grigio, „Dedno“ (2010) mit Ribolla, „Godenza“ (1971/2011) mit Pinot Grigio, „Hum“ (1966 Merlot, 1996/1998) Ribolla und Pignolo, „Polje“ (gleich vor der Haustür, 1973/2012) mit Chardonnay – aus Versehen, denn man wollte eigentlich Pinot Bianco –, „Pusca“ (1985/2012) mit Sauvignon und Chardonnay – hier zeigte sich, dass das Land für Reben unfruchtbar ist, so wurde 2012 die Parzelle zum Wald denaturalisiert – und „Runk“ (1998(2005) mit Ribolla und Pignolo, anschließend wurde hier ein Weiher mit Zypressen, Olivenbäumen, wilden Apfelbäumen, Manna-Eschen und Vogelbeeren-Bäumen angelegt, um so der Zerstörung der Natur (Insekten, Tiere, nat. Wasser) durch Monokultur entgegenzuwirken.
Naturwein, Orange Wine, Amphorenwein
Da es noch keine gesetzliche Regelung für diese Art von Weinen gibt, gehen die Bezeichnungen häufig durcheinander oder werde synonym benutzt. Dem sogenannten orangenen Wein, häufig auf englisch „Orange Wine“, ist eigen, dass er eine sehr lange Maischstandzeit von mehren Monaten bis zu einem Jahr hat. Hierbei wird ein Weißwein ähnlich einem Rotwein gekeltert. Auch die Auspressung geschieht erst nach weiteren Wochen bis Monaten, der sich dann eine erneute Lagerung des Weins anschließt. Diese Weißweine haben im Vergleich zu herkömmlichen mehr Tannine, mehr Farbstoffe – daher ihre orangene Färbung – und viel mehr Gerbstoffe, woraus ihr oxidativer Charakter und die deutliche Textur resultieren. Diese Weißweine sind vollkommen anders als die gebräuchlichen Weißen. Für viele (Weiß-) Weintrinker sind sie zunächst gewöhnungsbedürftig. Obwohl sie traditionell – und das sicherlich seit über 5.000 Jahren – in Amphoren verarbeitet werden, sind diese Tongefäße kein Muss für die Herstellung von orangenen Weinen. Orange Wines können sowohl nach klassischer Methode – wie bei Gravner – als auch nach einer modernen Abwandlungen hergestellt werden. Sie unterscheiden sich zum Teil sehr stark von einander und sind sicherlich nichts für konventionelle Weintrinker. Um die „modernen“ von den traditionellen Weinen zu unterscheiden hat sich noch eine weitere Bezeichnung etabliert, die den Orange Wine als „Amphorenwein“ ausweist.
Schließlich ist noch die dritte damit im Zusammenhang kursierende Benennung zu erwähnen: Denn die orangen Weine werden gerne auch als „Naturweine“ oder „Vini Naturale“ bezeichnet. Diese Gleichsetzung ist strenggenommen falsch, insofern der Naturwein einer spezifischen, in gewisser Weise als ganzheitlich zu bezeichnenden Weinphilosophie folgt, hingegen der orangene Wein das nicht zwangsläufig muss. So verzichten Winzer von Naturweinen auf Schwefel, verwenden keine Reinzuchthefen (Spontanvergärung), verzicht auf oxidativen Ausbau und beachten so einiges mehr in der Verarbeitung aber auch in den Weinbergen selbst. Häufig – aber eben nicht zwangsläufig – gibt es große Überschneidungsmengen zwischen den jeweiligen Herstellungsmethoden von Naturwein und Orange Wine. Auf keinen Fall zu verwechseln ist der orangene Wein mit dem spanischen Tarongino, einem Obstwein aus Orangen, oder mit aromatisierten Weißweinen, die nach Orangen riechen oder schmecken.
Kritisch anzumerken ist, dass durch die noch nicht gesetzlich geregelte Bezeichnung(-en) auch schlecht gelagerte, ungeschwefelte und umgekippte beziehungsweise oxidierte Weine von zweifelhaften Ruf, mangelder Kellerhygiene (und keinerlei Qualitätsansprüchen) von verantwortungslosen Winzern unter dem Lable der „Naturweine“ und der „Orange Wines“ vermarktet werden und so den Ruf der echten Weine negativ bestimmen. Aus dem gleichen Grund der fehlenden verbindlichen Reglemans dürfen die Weine auch nicht als Qualitätsweine bezeichnet werden. Sie gelangen als Tafelweine oder Landweine in den Verkauf.
Die Geschichte des Vino Naturale von Joško Gravner
Die Familie Gravner, seit Generationen eine Winzerfamilie, kommt ursprünglich aus der Region Hum in Slowenien, wo immer noch ihr 300 Jahre altes Anwesen, das in 1990ern renoviert wurde, steht. 1901 siedelte sie nach Ostavia auf die italienische Seite der grünen Grenze, die durch die Region Friaul-Julisch Venetien verläuft, und kaufte hier ein Gehöft mit zwei Hektar Land, das sukzessive erweitert wurde. Während des Ersten Weltkriegs und der hier tobenden militärischen Auseinandersetzung überstand das Weingut die Zerstörung als einziges Gehöft der Region (es war das Lazarett der dort kämpfenden Soldaten) im guten Zustand, doch nicht das verheerende Erdbeben von 1976. Joško Gravner – Jahrgang 1952 – übernahm das Weingut in Ostavia in den 1980er Jahren von seinem Vater. In die Zeit des Wiederaufbaus fällt die vollständige Modernisierung des Weinkellers nach internationalem Wein-Knowhow, die von Joško Gravner vorangetrieben wurde. So gelang es Joško anschließend, die Weinproduktion seiner Vorfahren auf die von Weinpresse wahrgenommene Qualitätshöhe zu heben.
Doch Joško Gravner wäre vermutlich nicht so bekannt, wenn er nicht den Naturwein und den Orange Wine für sich ‚entdeckt‘ hätte. Das war zu einem Zeitpunkt als er bereits ein gestandener und von Weinkritikern anerkannter Winzer von Merlot-, Sauvignon-Blanc- und Chardonnay-Weinen war. Es passierte in 1987, als Joško eine Reise in das südliche Weinland der USA unternahm, wo er – so heißt es – über 1.000 Weine verkostete. Dabei fiel es ihm auf, dass all diese Weine gerne von ihrem jeweiligen speziellen und unverfälschten Charakter sprachen, aber am Ende der Grand Tour musste der Winzer sich eingestehen, dass der vielbeschworene „Charakter“ des Bodens in keinem der Weine nachzuempfinden war. Die vermeintlichen Charakterweine schmeckten alle ähnlich.
Wieder zurück auf seinem Weingut entschied Joško, echte unverfälschte Charakterwein herzustellen, die tatsächlich das Terroir in sich trügen. Er wusste, dass die frühsten Winzer der Weingeschichte ihre Weine ganz anders machten, und besann sich auf Georgien, wo vor 5.000 Jahren bereits hervorragende Weine gemacht wurden. Die alten Georgier verwendetet dafür große Amphoren aus Ton, die in der Erde vergraben wurden. In ihnen gärten rote wie weiße Trauben monatelang auf der eigenen Maische. Gravner entschied sich radikal für diese altertümliche Technik und ließ zunächst seine Stahltanks entfernen und durch Holzfässer ersetzen, später verzichtete er auf Barriques und stelle die Produktion auf große Tonamphoren um, die bis zum Hals in der Erde stecken.
Die „verrückten“ Gravner-Weine: Orangene Weine – Orange Wines
Das Weingut Joško Gravner produziert insgesamt fünf Weine, zwei Rotweine (Rosso Gravner, Rosso Breg), zwei Weißweine (Bianco Breg, Ribolla) und einen weißen Riserva.
Es gibt Weintrinker, die die Weißen aus dem Gravner-Weinkeller als „verrückt“ ansehen. Das sind sie sicherlich – aber in ihrem besten Sinne. Gravners Orange Wines rühmen sich, mit die besten seiner Art zu sein, und können durchaus inoffiziell als Qualitätsweine bezeichnet werden. Äußerlich kennzeichnen sie sich durch eine starke Gelb- bis Orangefärbung, die an Bernstein erinnert und die manche Weinkenner als die vierte Weinfarbe nach Rosé bezeichnen.
Der „Ribolla Gravner“ ist der Vorzeigewein des Weinguts, der sich durch eine überaus komplexes tiefreichendes Bouquetauszeichnet, das kaum begrifflich zu fassen ist. Banane, Apfel, dunkler Waldhonig, karamellisierte Butter aber auch so etwas wie Holz und Waldboden kommen einem in den Sinn. An diesem Wein muss man sich einfach abarbeiten und so zu immer mehr Nuancen gelangen, die bisweilen „völlig verrückt“ erscheinen werden. Diese Komplexität setzt fort am Gaumen, den der Ribolla vollständig mit seidigen Texturen ausfüllen kann. Der Finish ist lang und befriedigend. Wer sich auf diesen Wein offenen Herzens einlassen kann, der wird sicherlich begeistert sein. Allerdings, dieser Wein ist nichts für Liebhaber von leichten fruchtbetonten Weißweinen. Das zweite Flaggschiff im Hause Gravner ist der „Breg Gravner Anfora“. Diese Cuvée ist mineralisch und zitrusbetont, mit nussigen Noten aber auch Birne – oder doch mehr Trockenobst und weiße Blüte? Auch dieser Wein entfaltet seine Tiefgründigkeit und Kraft mit jedem Schluck und mit der Zeit. Dabei bleibt er immer elegant und finessenreich mit gut strukturierter Säure.
Alle Weine der Gravner-Weinkellerei zeichnen sich durch ein enormes Lagerpotential aus – sofern man soviel Geduld bei der ad hoc gebotenen Trinkvergnügen findet.
Joško Gravner
Gründungsjahr: 1901
Eigentümer: Francesco Joško Gravner
Önologe: Francesco Joško Gravner
Jahresproduktion: ca. 38.000 Flaschen
Rebfläche: 18 Hektar im naturnahen Anbau
Notabene: Das Weingut Joško Gravner steht selten dem Besucher offen – der Winzer und seine Familie legen einen deutlichen Schwerpunkt auf die Pflege ihrer Weine und Weinberge. Aber wer Zeit und Geduld hat, um einen Termin zu bekommen, wird herzlich empfangen – die Anmeldung via Homepage oder eMail ist absolut obligatorisch. Über neuste Informationen, Events, Besprechungen und natürlich Fotos informiert die Weingutsseite auf Facebook.