Maurice Grumier
Doch, wie sollte es anders sein, die Unterschiede zwischen den Erzeugnissen, die den gesetzlich geschützten Namen tragen, sind teilweise enorm. Strenge Auflagen in der Herstellung – von der Ertragsmenge, über die Pressung bis hin zu dem Druck in der Flasche (und vielem mehr) – sollen hohe Standards des Schaumweins sicherstellen. Doch leider und eigentlich wie immer, wenn es sich um luxuriöse Produkte handelt, die sich einer hohen Anfrage erfreuen, gibt es immer wieder auch Erzeuger, deren Champagner-Produkte weitaus schlechter ausfallen als so mancher deutsche Winzersekt, der trotz der „méthode traditionnelle“ (oder der Champagner-Methode) nicht als „Champagner“ verkauft werden darf. Diese strenge Regelung besteht seit 1936. Maurice Grumier gehört sicherlich nicht zu jenen Durchschnittshäusern in der Champagne. Seine Schaumweinerzeugnisse sind sehr charakteristische, um nicht zu sagen terroirstarke, Champagner, die viel Beachtung finden, zum Beispiel von der Feinschmeckerfachzeitschrift „Gault & Millau“.
Champagnerhaus im Venteuil
Das Champagnerhaus Maurice Grumier hat nicht nur sein Hauptgebäude im Dorf, sondern auch die Weinberge unmittelbar in der kleinen Gemeinde, an den nur selten richtig steilen Hängen des Marne-Tals. Viel Sonne durch die Südausrichtung, vielfältiges Terroir mit grundsätzlich kalkstein-dominanten Böden beschert dem Champagne-Winzer hervorragende Voraussetzungen für hervorragende Cru-Champagner. Fünf Weinberge – Festigny, Reuil, Dormans, Nesle le Repons und Venteuil – mit insgesamt 8,5 Hektar sind mit 20 % Chardonnay, 25 % Pinot Noir und 55 % Pinot Meunier bestockt. Die ältesten Reben sind über 46 Jahre alt, die jüngsten circa 25.
Das Grumier-Champagnerhaus weiß um die Besonderheit dieser Weinregion und möchte nicht nur vor ihr profitieren, sondern sie auch im gleichen Zuge schützen. Weswegen es seit einiger Zeit verstärkt zum integrierten Weinanbau übergeht. Fabien Grumier, der jetzige Winzer, drückt das folgendermaßen aus: „Unser Terroir ist so wertvoll und auf der ganzen Welt berühmt, dass wir es respektieren müssen. […] Es liegt an den Winzern, ihr Land sorgfältig zu bewirtschaften, damit jede Nuance der Champagner voll zum Ausdruck kommt.“ Dazu gehört die Begrünung der Freiflächen, starke Reduzierung (oder Verzicht) chemischer Pestizide und Herbizide sowie Reduzierung der Düngemittel durch Beobachtung und Analyse der jeweiligen Bedürfnisse der Pflanzen. Darüber hinaus wird der Boden im Weinberg saisonal gepflügt, was sowohl zu einer Sauerstoffanreicherung der Schichten als auch zum Abtrennen von oberflächlichem Wurzelwerk führt. Dadurch werden die Reben gezwungen, ihre Hauptwurzeln tiefer in die Untergrundschichten zu treiben. Das Ergebnis sind gesunde, kräftige Pflanzen. All diese „maßgeschneiderten Maßnahmen“ verzichten auf pauschalisierte Behandlungen ganzer Weinberge, stattdessen erfordern sie einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Terroir und einzelnen Reben – und werden mit einer enormen Qualitätssteigerung belohnt, die zudem mit der Schonung der Natur und ihrer natürlichen Ressourcen einhergeht. Eine weitere qualitätsregulierende Maßnahme des Champagnerhauses besteht in dem radikalen Rückschnitt im Winter und einer rigorosen Überwachung der Pflanzen im Sommer bevor die Lese einsetzt.
Im Weinkeller werden die handverlesenen Trauben in einer Membranpresse vorsichtig ausgedrückt und zügig zum Gären in kleine Edelstahltanks umgefüllt. Die Gärung bzw. Pressung erfolgt nach jeweiligen Terroir sortiert. Seit 2004 altern die Weine bei Maurice Grumier auch wieder im Holz, wobei 10 % der Fässer einer jährlichen Erneuerung unterliegen. Besondere Moste gehen sofort nach der Abfüllung in Holzfässer, wo die Bâtonnage – das Aufrühren der Hefe - alle 10 bis 12 Tage stattfindet. Die Klärung des Weins geschieht durch Umfüllung, „Dekantierung“, die je nach Bedarf ein- bis zweimal vorgenommen wird. Wird die malolaktische Gärung eingesetzt, so geschieht diese ohne künstlichen Zusatz von Hefen. Zum Einsatz kommen ausschließlich die sogenannten „Cuvées“, was beim Champagner zu begrifflicher Verwirrung führen kann, denn dort wird die Erstpressung so bezeichnet. Dieser „cuvée“ darf nicht mehr als 82 Liter Most auf 160 Kilo Traubengewicht ergeben. Eine persönliche Verkostung der Weine – zumeist ab März – aus den jeweiligen Fässern beziehungsweise Tanks führt zu einer immer sehr individuell getroffenen Entscheidung, ob die Grundweine noch weiter altern sollen und wie sie assembliert (gepaart) werden.
Mit Ausnahme von dem Champagner „Amand“ werden alle Grumier-Schaumweine vorsichtig filtriert und anschließend in Flaschen abgefüllt, wo sie weitere Jahre altern dürfen. Bei der Vinifizierung steht dem Winzer Fabien Grumier der Önologe James Darsonville zur Seite, aber letztendlich ist die Entscheidung, wie der Wein zum Maurice-Grumier-Champagner wird, eine „Familienangelegenheit“.
Der Alterungsprozess ist je nach Champagnersorte unterschiedlich, man kann verallgemeinernd sagen, dass die Bruts des Hauses Grumier zwei Jahre und die Sondereditionen und Vintage acht bis zehn Jahre in der Flasche reifen bis sie in den Verkauf kommen. Die Dégorgierung und die Dosage, auch Liqueur genannt, erfolgen sechs Monate vor dem Verkauf. Das Champagnerhaus Maurice Grumier ist sehr darum bemüht, starke Terroir-Champagner zu produzieren und hat daher die Menge beziehungsweise die Zusammenstellung der Versanddosage, die zum Schluss des Prozederes zum Einsatz kommt, stark reduziert. Die spezielle Linie „Instant Nature Ultra Brut“ kommt ganz ohne diese letzte Dosage aus.
Urgesteine im Dorf Venteuil
Anders als man vielleicht annehmen würde, ist das Champagnerhaus Maurice Grumier nicht nach seinem Gründer benannt. Die Familie Grumier ist spätestens ab 1743 in Venteuil nachweisbar, wo sie zu diesem Zeitpunkt als Weinbauer waren in Erscheinung träten. Diese Tätigkeit vererben sie ganz offensichtlich seit fast 300 Jahren von einer Generation auf die nächste. Bis in die 1930er Jahre wurde der Ertrag fast vollständig an andere Winzer verkauft und nur ein kleiner Teil für Eigengebrauch vinifiziert. Es war Amand Grumier, der 1928 beschloss, die Lese zu behalten, um daraus den ersten eigenen Champagner herzustellen. Der Schritt vom Weinbauer zu Champagnerhersteller war gerade in dieser Zeit riesig und barg eine große Gefahr für die Familie, die bei einem Misserfolg ihrer gesamten Lebensgrundlage beraubt worden wäre. Eine große Unterstützung bekam Amand jedoch von seiner Frau Aline, die tatkräftig die Idee mittrug. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges übernahm deren Sohn Maurice die Kellerei und gestaltete sie beinahe vollständig um. Ihm ist es zu verdanken, dass das Champagnerhaus aus einer Kellerei unter vielen zu einem aufblühenden Familienunternehmen wurde und sich unter den Champagnerherstellern schon bald einen Namen machte. Stolz auf seine Leistungen fügte er dem bisherigen Grumier-Geschäftsnamen seinen Vornamen hinzu. 1968 verstarb Maurice bei einem Unfall leider viel zu früh. Er überließ das Unternehmen seinem Sohn Guy Grumier und seiner Ehefrau François, deren akribische Arbeit im Weinberg und im Keller zu einer stetigen Qualitätsverbesserung führte und aus Maurice Grumier das Champagnerhaus machte, wofür es heutzutage steht. Spätestens 1999, nach seinem Abschluss der Weinbauhochschule, nahm ihr Sohn Fabien immer mehr Aufgaben im Familienbetrieb wahr und wuchs so in die Fußstapfen seines Vaters hinein. Heutzutage leitet er gemeinsam mit seiner Ehefrau Helène das Champagnerhaus seiner Vorfahren.
Ein schönes Portfolio an charakterstarken Champagnersorten
Maurice Grumier Keller präsentiert sich der Öffentlichkeit mit 10 Champagnersorten, wozu sowohl Blanc de Blanc, Blanc de Noir, Rosés – weit davon entfernt, ein „billiger Süßer“ zu sein – als auch Cru-Champagner (aus einem Weinberg) gehören. Abgesehen von einem „Semi-Brut“ und einem „Extra-Brut“ handelt es sich dabei um Brut-Schaumweine. Bei all seinen Weinen verwendet Grumier laut Selbstaussagen ausschließlich die Cuvée-, das heißt, die Erstpressungen.
Drei Champagnersorten sind aus dem Gesamtportfolio des Hauses Maurice Grumier hervorzuheben. An erster Stelle steht das Flaggschiff des Unternehmens der „Cuvée Amand 2012 Extra-Brut“, eine Hommage an den Urgroßvater des heutigen Winzers, Amand Grumier. Dieser Champagner ist ungefiltert, altert in Barriques und verbleibt extralange in der Flasche. Gault et Millau bewertet ihn regelmäßig mit Höchstnoten von 17/20, Eichelmann Champagne Guide mit vier Sternen (von fünf) und Decanter gibt ihm 2015 die Silbermedaille. Der zweite im Bunde ist der „Instant Nature Zéro-Dosage“, ein Cru ohne Dosage, der sich durch seine Reinheit und mineralische Noten auszeichnet, die bestens zu Austern oder japanischen Essgenüssen passen. Auch diesen Champagner stuft Gault et Millau auf der höchsten Skala seiner Punkteauszeichnungen ein und auch hier gibt es eine Silbermedaille von Decanter. Von Robert Parker favorisiert wurde hingegen bisher der „Les Blancs de Venteuil“, ein reinsortiger Cru-Chardonnay von sehr feiner Mineralität, die er mit 91 Punkten dotiert (2015).
Und schließlich ist da noch der Aperitif (oder Digestif) Ratafia, eine selten produzierte Spezialität der Region, die hier aus Champagner-Most und Weinbrand gewonnen wird. Der Ratafia von Grumier gehört zu den feinsten seiner Art und wird aus Traubenmost aus Pinot Noir und Meunier sowie Eau de Vie de Marc gewonnen und reift in Eichenfässern.
Maurice Grumier
Gründungsjahr: 1928
Eigentümer: Fabien Grumier
Önologe: Fabien Grumier, beratend James Darsonville
Jahresproduktion: 70.000 Flaschen
Rebfläche: 8,5 Hektar in integriertem Anbau
Notabene: Das Champagnerhaus Maurice Grumier kann mit Voranmeldung (mit Formular auf der Homepage) besichtigt werden. Der hauseigene Shop (mit Degustationen) hat hingegen feste Öffnungszeiten, die aktuell auf der Internetseite oder auf Facebook stehen (Champagne Maurice Grumier, @champagne.maurice.grumier). Nicht vergessen, den Ratafia probieren!