Lenoble
Dem war nicht immer so und die Anfänge des Hauses haben die heutige Gloriole, die den AR Lenoble Champagner gebührt, nicht vermuten lassen. Mittlerweile bekommt das Unternehmen immer wieder verlockende Übernahmeangebote, denen es bisher standhaft bleiben konnte. AR Lenoble ist daher eines der ganz wenigen kontinuierlich in einer Familienhand verbliebenen Schaumweinkellereien der Champagne. Das alleine wäre vielleicht nur eine Randnotiz wert, wenn da nicht auch die überragende Qualität der prickelnden Erzeugnisse und die penible Herstellungsphilosophie des AR-Lenoble-Hauses wäre, die tatsächlich ihresgleichen suchen. AR Lenoble setzt auf extreme Selbstbeschneidung. Was mit der Reduzierung der Traubenmenge im Weinberg beginnt, setzt sich fort im Weinkeller. Das große Glück des Champagnerhauses sind seine eigenen herausragenden Grand-Cru- und Primere-Cru-Lagen. Doch das ist natürlich nicht alles … ein Quäntchen Geheimnis, eine gekonnte Vinifizierung der Grundweine und eine hundert Jahre alte Erfahrung in der Assemblage spielen keine geringe Rolle. Probieren Sie selbst – Sie werden sicherlich genauso begeistert sein, wie die Kenner der Materie. Sie müssen es nur schnell tun, denn die freiverkäuflichen Mengen der Champagne AR Lenoble sind klein!
Champagnerphilosophie der AR Lenoble: Frankreich at it's best!
Das Champagnerhaus AR Lenoble hat seinen Stammsitz in Damery an der Marne, einer kleinen Ortschaft nur wenige Kilometer von Epernay entfernt. Geleitet wird es in der vierten Generation von dem Geschwisterpaar Malassagne. Erstaunlich ist nicht nur die Tatsache, dass das Haus seit 1920 ein unabhängiges Familienunternehmen bleiben konnte, sondern auch, dass es über bedeutende eigene Weinberge verfügt. Nur ein geringer Traubenanteil wird von vertrauenswürdigen Weinbauern dazugekauft.
Die besten der eigenen Lagen liegen in der Grand Cru Gemeinde Chouilly an der Côte des Blancs und sind mit Chardonnay bepflanzt. Weitere Premier-Cru-Lagen befinden sich in der Gemeinde Bisseuil in der Montagne de Reims, wo Pinot Noir angebaut wird. Insgesamt besitzt das Champagnerhaus 18 Hektar Weinland, davon 10 Hektar in Chouilly, während sechs Hektar sich in Bisseuil befinden. Die Reihe wird ergänzt durch eine zwei Hektar kleine Parzelle im Vallée de la Marne, die mit Pinot Meunier de Damery bestockt ist. AR Lenoble betreibt eine biologisch-zertifizierte Weinbergbewirtschaftung mit begrünten Rebreihen, reduzierter Traubenmenge, reifem Lesegut und händischer Lese. Das ganze natürlich ohne Pestizide und künstliche Dünger.
Alle Erträge unterliegen einer strengen Selektion und werden ausgesprochen gering gehalten, so dass sie weit unter dem Durchschnitt der Champagnerregion liegen. Eine weitere Qualitätssicherung ist die Reduktion der vinifizierten Weinmenge. So gelangen nur Cuvées (die ersten 82 Liter) aus der ersten Pressung in die Weiterverarbeitung, was sowohl zu einer deutlichen Steigerung der Qualität als auch des Ausdrucks der Grundweine führt.
Im Weinkeller des AR Lenoble wird sehr traditionell gearbeitet. Hier kommen beispielsweise noch die fünfzigjährigen Coquard-Weinpressen zum Einsatz. Die Gärung wird sowohl in Edelstahltanks als auch in Holzfässern vorgenommen, während der Ausbau vor allem in Holz stattfindet. Der größte Teil der produzierten Weine wird als Reserveweine zurückgehalten, die in Fuder-Fässern (5.000 Liter), in kleinen Burgunder-Fässern (225 Liter) und seit 2010 vorwiegend in Magnumflaschen unter echtem Kork reifen, was zu einer guten Sauerstoffanreicherung der Reserve führt. Die Weine reifen in dem alten, aus Kreidegestein gehauenen Keller des historischen AR Lenoble Champagnerhauses. Hier herrschen natürliche Umweltverhältnisse, das heißt eine Temperatur von circa 10 °C und eine Luftfeuchtigkeit von 85 %. Die gesetzlich vorgeschriebene Lagerungszeit von 15 Monaten wird bei AR Lenoble deutlich überboten und beträgt Minimum vier Jahre, wobei das Lagern auf Hefe nie unter dreieinhalb Jahre liegt.
Die hohen Standards in der Weinproduktion machen es möglich, dass der Champagnermacher des Hauses AR Lenoble die Dosage (ca. 2 g/L) gering halten kann. Ein nicht unwesentliches Surplus, das AR Lenoble von den meisten anderen Champagnern unterscheiden, ist die Tatsache, dass die gesamte Champagnerpalette des Unternehmens an den Grand-Cru-Assemblagen partizipiert.
AR Lenoble steht mit seinem Label für extravagante, perfektionierte und extrem aufwendig gemachte Champagner der Extraklasse, die sich frisch, mit einer cremigen Textur, vollmundig am Gaumen und mit einer fast unübertroffenen Komplexität präsentieren.
Es beginnt mit einem Elsässer auf der Flucht …
Der Gründungsgeschichte des Champagnerhauses geht ein dramatischer Akt voraus: Ein junger Elsässer flieht 1890 vor den seine Heimat besetzenden Deutschen im Deutsch-Französischen Krieg zu Fuß nach Frankreich, genauer: in die Heimat seiner Ehefrau Alice nach Épernay in die Champagne. Bei diesem jungen Mann handelte es sich um Joseph Graser. Sein plötzlicher Tod auf der Straße zwang seinen noch jungen Sohn Armand-Raphaël Graser ad hoc für die Familie sorgen zu müssen. Er wurde Traubenkommissionär und Weinhändler, verkaufte und installierte Weinpressen und half den lokalen Winzern bei Problemen im Weinkeller. Mit dem erwirtschafteten Geld kaufte er in Damery ein altes Gebäude aus dem Jahr 1772, das er zum Familiensitz der Graser ausbaute. Hier gründete er 1920 sein eigenes Champagnerhaus und begann umgehend mit dem Keltern eigener Weine. Anfänglich blieb Armand-Raphaël Graser weiterhin Händler für die Marken "Grande Marne" und "Fleur de Marne", wo er seine Erzeugnisse vermarktete.
Bis heute ist die 250 Jahre alte Maison AR Lenoble das Hauptquartier der Familie. Armand-Raphaël Graser verzichtete bei der Gründung seiner Marke bewusst darauf, seinen nach dem Ersten Weltkrieg "zu deutsch" klingenden Namen zu verwenden, stattdessen begnügte er sich mit einer versteckten Anspielung, indem er die Initialen seiner Vornamen A. R. verwendete. Ansonsten wählte er für sein noch unbekanntes Unternehmen einen "noblen" Phantasienamen, von dem er sich werbestrategisch eine positive Wirkung versprach. Und so trugen die ersten Etiketten seiner Champagner den Slogan "Noble Champagne, Champagne Lenoble".
Wie sein Vater verstarb auch Armand-Raphaël früh und unerwartet im Jahr 1947 mit nur 44 Jahren. Die Todesursache ist tragisch, aber auch passend, insofern er während der Weinlese unglücklich in einen Weintank stürzte. Der frühe Tod des Gründers machte seinen Sohn Joseph Graser zum Oberhaupt des Champagnerunternehmens und das just in schwierigen Zeiten. Zunächst war sein Neffe Jean-Marie Malassagen, Sohn von Marie-Madeleine Graser und Léon Malassagne, für die Führung des Unternehmens im Gespräch. Jean-Marie wuchs im Dorf Chouilly auf, wo er mit seinem Vater in den familieneigenen Weinbergen arbeitete. Strenge Winter in den Jahren 1950 und 1951 dezimierten die Lesemenge und die Qualität der Trauben so stark, dass die Winzer kaum von den Einnahmen leben konnten. Ausschlaggebend für den Rückzug aus dem Weingeschäft war für Jean-Marie die Parkinson-Diagnose seiner Mutter und so entschied er sich unter den sowieso schlechten Bedingungen der Weinbranche für ein Medizinstudium. Das Schicksal wollte es, dass er dort seine zukünftige Ehefrau Collette kennenlernte, die einen ähnlichen Werdegang hatte. Auch sie kam durch die Krankheit ihrer Mutter zum Medizinstudium und auch sie stammte aus einer Weinbauernfamilie ab. Durch sie kam Jean-Marie Malassagen zu Weinbergen in Bisseuil und Chauilly. Jean-Marie und Collette Malassagne gründeten 1973 die Poliklinik Courlancy in Reims, eine der wichtigsten Allgemeinkrankenhäuser Frankreichs.
Währenddessen entwickelt sich das Champagnerhaus AR Lenoble unter der Leitung von Joseph Graser zu einem beachteten Unternehmen. Joseph lag das Repräsentieren sehr und so konnte er die Marke AR Lenoble sogar bis zu Murray and Banbury's nach London bringen. Doch gleichzeitig verzehrte sein kostspieliger Lebensstil mehr als das Champagnerhaus einbrachte. Als Joseph Graser 1973 sich aus dem Champagnergeschäft zurückzog, war das Unternehmen schwer verschuldet und Josephs Nachkommen entschieden sich gegen das Risiko einer Geschäftsübernahme. Damit stand das Champagnerhaus kurz vor dem Aus. Es war schließlich Jean-Marie Malassagen und seine Liebe zum Wein zu verdanken, dass der Familienbesitz der Graser gerettet wurde. Jean-Maries Tochter Anne – die heutige Besitzerin des Champagnerhauses – weiß in einem Interview zu berichten: "Er übernahm die Domäne für einen symbolischen Franc, ohne ein Gehalt zu verlangen, da er noch sein Einkommen als Arzt hatte". Für Jean-Marie begann damit ein Doppelleben als Vigneron und als Arzt des mitbegründeten Krankenhauses in Reims, das er 20 Jahre lang führte.
Unter Jean-Marie Malassagens Führung machte das Champagnerhaus große Fortschritte, allerdings haperte es ihm am strategischen Sinn für gute Vermarktung. Ihm war das Glück hold, denn nun begannen die guten Erntejahre, der Champagner war so gefragt wie zuletzt in den 1920er Jahren, und die Winzer konnten ihre Traubenpreise nach oben schrauben, was zu immer teureren Champagnern führte.
Als es in den frühen 1990er Jahren zu einer weltweiten Ölkrise verursacht durch den Golfkrieg kam, brach das hochgeschraubte Geschäft jäh zusammen. Der Markt für teure Champagner war plötzlich nicht mehr vorhanden und die vielen kleinen und kleineren Champagnerhäuser sahen sich gezwungen, die Flaschenpreise gravierend zu senken für eben jene Champagner, die aus den teuer eingekauften Trauben gemacht wurden. Viele Unternehmer gingen daraufhin Konkurs und die Champagnerwinzer konnten ihre Erträge nicht mehr verkaufen. In dieser Zeit begann der große Ausverkauf der historischen Familienbetriebe an große, finanziell mächtige Weinunternehmer, die den Weinmarkt in der Champagne nachhaltig veränderten.
Auch Jean-Marie Malassagen stand vor dieser Wahl. Rettende Entscheidung fiel schließlich im Jahr 1993, als Jean-Maries Tochter Anne sich bereit erklärte, das Champagnerhaus zu übernehmen. Dafür gab die gerade mal 28-Jährige ihre beginnende Karriere bei L'Oréal in Paris auf, wo sie in der Finanzabteilung des Unternehmens tätig war. 1996 bekam sie Hilfe von ihrem Bruder Antoine Malassagne, der zuvor noch seinen Abschluss als Ingenieur in Biochemie machte. Zurzeit ist Anne für die Administration und das Marketing verantwortlich, während Antoine den Weinberg bestellt und sich um den Weinkeller kümmert. Das Geschwisterpaar ruht sich nicht auf den erreichten Meilensteinen in der Champagnerherstellung aus, sondern ist weiterhin darum bemüht, dass der Verkauf des Familienunternehmens nie notwendig sein wird. Neue Investitionen wie die 2017 eröffneten Verkostungsräumlichkeiten, eine Vinothek und eine moderne Küche im Stammhaus, in dem Kochworkshops stattfinden, gehören dazu.
Champagner-Portfolio mit den AR-Initialen
Das Champagnerportfolio von AR Lenoble umfasst zurzeit (Stand 2022) zehn herausragende und teilweise rare Champagnersorten und über 13 verschiedene Jahrgänge. Es handelt sich dabei vorwiegend um Assemblagen aus Chardonnay und Pinot Noir unterschiedlicher Jahrgänge. Die Champagnerpalette ist in drei Kollektionen aufgeteilt und diese haben jeweils zwei bis drei verschiedene Sorten von Champagnern.
In der "Klassik Kollektion" finden Sie den Intens "mag", den Brut Nature – Dosage Zéro "mag" und den Riche "mag". Der Letztgenannte lagert sechs Jahre im Kalksteinkeller, bevor er die Dosage von 32 g/L bekommt und weitere zwei Jahre lagert. Erst dann erreicht er die Kundschaft.
Die "Terroir Kollektion" beinhaltet Crus und Primer-Crus: den Grand Cru Blanc de Blancs "mag", den Grand Cru Blanc de Blancs Jahrgang, den Premier Cru Blanc de Noirs Jahrgang und einen Rosé Terroirs "mag". In dieser Rubrik finden Sie die besten Champagner des AR Lenoble.
Hinter der dritten und bisher letzten Kollektion "Parzellen aus Chouilly" stehen ganz besondere Champagner, die nur in außergewöhnlich guten Weinjahren entstehen. Dazu zählen die zwei: Gentilhomme Grand Cru Banc de Blancs Jahrgang und Les Aventures Grand Cru Blanc de Blancs.
Der "mag"-Bezeichnung folgt eine Nummer und diese bezieht sich auf das Jahr, aus dem die Grundweine, die in Magnumflaschen reiften, stammen.
AR Lenoble steht für komplexe, dabei frische und in der Textur cremige Champagner von einer geradezu perfekten Perlage. Und dennoch werden sie nicht sofort und nicht unbedingt jedem munden, denn sie sind Terroirweine. Das heißt, dass sie ihre Eigenheiten, ihre Kanten und ihre nussigen, teilweise herben Assemblagen nicht verleugnen. Bei AR Lenoble wird hart an den Champagnern gearbeitet, doch nicht um sie zu glätten, sondern den Gaumen herausfordern.
Die Produktion ist gering und daher gehören die Champagner von AR Lenoble zu den schnell ausverkauften prickelnden Vergnügen.
Champagne AR Lenoble
Gründungsjahr: 1920
Eigentümer: Geschwister Anne und Antoine Malassagne
Kellermeister: Antoine Malassagne
Jahresproduktion: ca. 340.000 Flaschen
Rebfläche: 18 Hektar in ökologisch-zertifiziertem Anbau
Notabene: Das Champagnerhaus AR Lenoble bietet Degustationen und Führungen nach Vereinbarung an. Eine kleine Vinothek ist gleicherweise ins Stammhaus des Unternehmens eingebunden. Kochkurse und andere Veranstaltungen komplementieren das Eventangebot. Eine ganz besondere Sache sollten Sie sich vor Ort nicht entgehen lassen: ein Picknick oder Mittagessen in der historischen 'Hütte' im Weinberg von Bisseuil. Dieses Weinberghäuschen wurde 1947 von dem Gründer des Unternehmens gebaut und gehört zu den letzten noch existierenden Hütten dieser Art in der Region. Früher waren diese Bauwerke in den Weinbergen üblich, denn sie dienten den Arbeitern als Unterschlupf und Geräteschuppen in einem. Heute sind sie schützenswerte historische Gebäude, von denen der Naturpark Montagne de Reims noch 120 zählt und ein Auge darauf hat.