Santadi
Bei der Cantina di Santadi handelt es sich nicht um ein Weingut, sondern um eine Cantina Sociale, das heißt, um eine Weingenossenschaft. Die Idee dazu hatten einiger Weibauern in den späten 1950ern, die nicht mehr nur Trauben abliefern wollten, sondern davon überzeugt waren, hervorragende Weine nach alten, von ihren Vätern und Großvätern überlieferten Methoden selbst vinifizieren zu können. Die Entwicklung der Cantina seit den 1980er Jahren gibt ihnen Recht. Natürlich wird im Weinkeller nicht 'mittelalterlich' gearbeitet. Die neuen Technologien dienen allerdings dazu, das Althergebrachte, was gut ist, mit dem Neuen zu versöhnen. Bevor aber die Cantina zu dem wurde, was sie heute ist, nämlich die renommierteste Weingenossenschaft Italiens, die eines der besten Rotweine des Landes produziert, musste ein kleines Wunder geschehen.
Man hatte keinen geringeren als den italienischen Superstar unter den Önologen für sich gewinnen können! Die Rede ist von Giacom Tachis. Der liebevoll als "Weinmischer" (Mescolavin) genannte Önologe ist mit seinen "Super Tuscuns", den "Supertoskanern", weltweit berühmt geworden. Bei seinen legendären Weinen hat er als erster in Italien den Einsatz von Barrique im Alterungsprozess befürwortet und perfektioniert. Kein Wunder, dass er das auch für die sardischen Gewächse einführte, was zu einer enormen Harmonisierung der autochthonen Weintrauben im Vinifizierungsprozess beitrug.
Eine weitere Besonderheit der Cantina di Santadi sind ihre von der Reblausplage oder vom Mehltau unberührte Reben, die dadurch so zu sagen in Reinkultur seit Jahrtausenden gezüchtet werden. Wer die Cantina di Santadi noch nicht kennt, hat nun die Möglichkeit, echte Weinschätze von lupenreinen alten Weinreben zu kosten, die zudem von legendärer Hand eines Tachis verfeinert wurden. Das spiegelt sich wider in den zahlreichen Auszeichnungen und in der Tatsache, dass die Cantina als Vorzeigegenossenschaft von Italien gilt. Überraschenderweise bleibt trotz der hohen Qualität und bester Kritiken das Preis-Leistungs-Verhältnis unübertroffen!
Die beste Cantina Sociale des Landes – nicht nur auf Sardinien
Cantina Sociale di Santadi ist eine Weingenossenschaft, deren Besitztum aus weitverzweigtem Weinbergterrain besteht, in dem fast alle Subregionen der sardischen Südspitze vertreten sind. Die Weinkellerei ist nach dem kleinen, im Mittelalter gegründeten Ort Santadi im Zentrum der Region Sulci benannt. Und hier befinden sich auch die Zentrale und der große Weinkeller der Genossenschaft. Ihr gehören circa 300 Mitglieder an. Viele von ihnen verfügen nur über winzige Weinflächen von etwa zwei Hektar. Insgesamt kommt die Genossenschaft jedoch auf eine stolze Weinnutzfläche von knapp unter 610 Hektar bestellter Weinberge.
Die Region Sulci, in der die Santadi tätig ist, breitet sich über die südlichste Vorwölbung Sardiniens aus und ist unter Inselliebhabern für ihre weißen Dünen und die Lagunenlandschaft bei Porto Pino bekannt. Tatsächlich ist Sulcis aber weit mehr als ein schöner Strand, sondern ein tausendjähriges Natur- und Kulturgebiet und das älteste erdgeschichtliche Gebiet der Insel. Sowohl landschaftlich als auch geologisch ist die Region sehr abwechslungsreich und für den Weinanbau wie gemacht. Mittelgebirge, Täler, flache sandige Gebiete am Meer und Gebirge im Hinterland – selbst die Küste bietet Vielfalt mit steilen Klippen und weißen Dünen gesäumt von Pinien und Wacholderbäumen. In dieser einzigartigen Landschaft kultivieren die zahlreichen Winzergenossen der Cantina di Santadi in verschiedenen Subregionen insbesondere die autochthone Rebsorte Carignano, die bestens an das Terroir, die Bodenbeschaffenheit, Wassermengen und die vorherrschenden Temperaturen angepasst ist. Die hiesigen Weinbauer haben das enorme Glück, dass ihre Reben nie von der Mehltauseuche oder Reblausplage heimgesucht wurden. Das bedeutet, dass die Cantina di Santadi bis heute ihre Trauben von teilweise uralten, vor allem aber von unveredelten Reben bezieht!
Die bevorzugte Carignano ist eine eigenständige Traubensorte mit unverwechselbaren würzigen Noten. Um dem "modernen Gaumen" entgegenzukommen und den Weinen mehr "smooth" zu verleihen, werden für die Assemblage-Weine manchmal auch Merlot-Trauben verwendet, die aber höchstens um 10 % in die Cuvées Eingang finden. Die Cantina di Santadi hat neben der Carignano noch andere Autochthone im Repertoire wie beispielsweise die Sorten Vermentino, Nuragus oder Nasco.
Die Genossenschaftswinzer arbeitet in den Weibergen klassisch, im Grunde so, wie ihre Vorväter es auch schon getan haben. Die allermeisten Varietäten werden traditionell im Busch- beziehungsweise Alberello-System erzogen, was dem heißen Klima am besten entspricht. Die Weinberge werden bisher naturnah und konventionell bearbeitet.
Die Winzer der Kooperative sind stolz auf ihren kulturellen Ursprung, auf die Phönizier, Punier aber auch auf die vorhistorische Nuraghe- und Bonnanaro-Kultur. Das ist nicht einfach nur so daher gesagt, denn sie alle leben inmitten dieser Kulturspuren, die bis heute überall rund um den Ort Santadi zu finden sind. Im Weinanbau bezieht man sich hier gerne auf die Phönizier, die die Reben ins Land brachten und den Weinanbau bereits perfektioniert haben. Geschichtsbewusstsein im Weinbetrieb bedeutet nicht zwangsläufig Stillstand. Dass die Cantina di Santadi nach neustem technischem Know-How vinifiziert, versteht sich bei der hohen Qualität ihrer Weine von selbst. Doch überall stößt man auf die Handschrift des Starönologen Giacomo Tachis. Sie manifestiert sich am deutlichsten im Einsatz von Barriques im Alterungsprozess der Weine. Wie stark hier dem Perfektionismus, aber auch der Lust am Experiment Rechnung getragen wird, bezeugt das Weinlabor, das dem Weinkeller integriert ist.
Doch die eigentliche Arbeit an der Qualität der Weine beginnt – wie immer – im Weinberg. Der richtige Zeitpunkt der Ernte wird sehr genau genommen. Selektion, händisch-vorsichtige Lese und schließlich die schnelle Verarbeitung im Weinkeller, wobei die Weintrauben nach Sorten und ihrer Qualität vorsortiert werden, gehören zu der professionellen Arbeit eines engagierten und eingespielten Santadi-Teams. Weiße Trauben werden zunächst nur sanft gepresst und der Most anschließend bei Temperaturen von 18° C in Edelstahltanks gekeltert. Bei den Roten kommen nur entrappte Beeren zum Einsatz, wobei der Most auf der Schale bei höheren Temperaturen bis 22° C gärt. Die Maische gärt bis zu zwei Wochen auf der Schale und unterliegt einer häufigen Umwälzung.
Im großen Keller der Weingenossenschaft Santadi reifen die weiße und rote Weine sowohl in Holzfässern als auch (oder) in Edelstahl- und Zementtanks. Abgefüllt wird vor Ort. Allein die ganz großen Rotweine bekommen eine spezielle Behandlung und dürfen in französischen Barriques reifen – dazu gehören auch einige Weißweine.
Schwieriger Start mit Star-Ausgang
Die Cantina di Santadi ist eigentlich ein Spätzünder – was ihr aber eindeutig nicht zum Nachteil gereicht. Entstanden ist sie im Jahr 1960, zum Zeitpunkt als eine Gruppe von Weinbauern sich zusammentat, um gemeinsam Weine herzustellen. Maßgebliche Hilfe leistete dabei die sardische Einrichtung ETFAS, die Grundbesitz- und Agrarflächenumwandlungen koordiniert. Am Anfang lief nicht alles rund, was nicht unbedingt verwunderlich ist, bedenkt man, dass sich sture sardische Köpfe zum gemeinschaftlichen Projekt vereinigen sollten, die alle nur ganz kleine Weinberge ihr Eigen nannten. Es heißt, erst die neue Führungspersönlichkeit, die mit Leidenschaft nicht nur neue Ideen vorbrachte, sondern die Winzer von der Gemeinschaftlichkeit einer Genossenschaft überzeugte, hat die Vereinigung vor dem Niedergang gerettet.
Was in der Anfangsphase der 1960er Jahre fehlte, war eine einigende Perspektive, die über das kurzfristige Ziel eines jeden einzelnen Weinbauers hinausging. Erst mit der Übernahme der Leitung durch Antonello Pilloni im Jahr 1976 war den Winzern der Santadi eine enthusiastische Führung gegeben, die fähig war, sowohl das humane als auch das territoriale Potential der Kooperative zu fördern. Pillonis erste Aufgabe war einen motivierten Verwaltungsrat zu gründen und diesen dann so zu leiten, dass die Kellerei eine Chance auf ihr Weiterbestehen hatte. In dieser Zeit und noch bis in die ersten Jahre der 1980er produzierte die Genossenschaft ausschließlich Fassweine und der erste Versuch, auf Flaschenweine umzustellen, war nicht von Erfolg gekrönt gewesen. Pilloni war davon überzeugt, dass die Zukunft der Genossenschaft nur darin liegen könnte, von den "Massenweinen" wegzukommen, die Strukturen der Kooperative zu verschlanken und ausschließlich auf streng geregelte und kontrollierte Qualität zu setzten.
Den ersten Schritt in die richtige Richtung konnte Pilloni dank des neuen Verwaltungsrats tun, der ihm uneingeschränkt sein Vertrauen schenkte. Durch seine charismatische und überzeugende Persönlichkeit war Pilloni ein echter Coup gelungen als er den Starönologen Giacomo Tachis für die "sardische Sache" der Kooperative di Santadi gewinnen konnte. Tachis arbeitete zu diesem Zeitpunkt bereits für berühmte Weingüter Italiens (vor allem die Familie Antinori). Genauer: Er machte sie erst zu den Berühmtheiten, die sie für die Weinwelt immer noch sind, mit Weinen wie "Sassicaia" und "Solaia". Diese revolutionären Weine wurden von Weinjournalisten als "Super Tuscans", die Supertoskaner, gekrönt und übersprangen die Messlatten von 100-Punkten bei Parker und Co.
Tachis ließ sich auf das Projekt der Sarden und ihrer in Vergessenheit geratenen Weine vor allem aus persönlichem Interesse ein und entwickelte für die Genossenschaft nicht nur erstklassige Weine, sondern war auch für die Umstrukturierungen in den Weinbergen als auch im Weinkeller mitverantwortlich. Auf sein Anraten hin wurden die Räumlichkeiten der Kellerei erweitert und der neue Bereitungsraum mir modernen, wärmeisolierten und temperaturgesteuerten Edelstahlbehältern ausgestattet. Die erste Weinflasche, die den Weinkeller der Kooperative unter der Direktive von Tachis verließ, war die "Terre Brune" von 1984. Sie ist gleichzeitig auch der erste Rotwein Sardiniens, der in Barrique alterte. Die begeisterte Kundschaft machte diesen bis heute noch beliebten Wein zum Aushängeschild der Cantina di Santadi.
In den folgenden Jahrzehnten festigte sich der Ruf der Santadi-Weine unter der Regie des Starönologen mit Weinen wie "Turriga" und "Isola dei Nuraghi" so sehr, dass die Kooperative ihre Produktionsstätte mehrfach erweitern und erneuern musste. Die durchschlagende Kraft des "Barrique-Experiments" mit den autochthonen sardischen Weintrauben machte es notwendig, einen gänzlich neuen Barrique-Saal zu errichten, der wenige Jahre später noch einmal erweitert wurde.
Giacomo Tachis blieb bis zu seinem Tod 2016 der Genossenschaft in Freundschaft verbunden. Ihm und natürlich seinen preisgekrönten Weinen ist die internationale Würdigung der sardischen Weingenossenschaft zu verdanken. Es verwundert daher nicht, dass die Genossenschaftsführung der Cantina di Santadi auf den von Tachis gelegten Bahnen weiterhin produziert und bis heute eine der wichtigsten, wenn nicht gar die wichtigste Weingenossenschaft Italiens ist.
Das Portfolio mit den fast "Super-Sarden"
Das Portfolio der Cantina di Santadi bietet sowohl wunderbare frische als auch körperbetonte Weißweine und Terroir-starke dabei aber herausragend abgerundete Rotweine - und das zum hervorragenden Preis-Leistungs-Verhältnis. Seit den 1980er Jahren ist das Flaggschiff der Weingenossenschaft der reinsortige "Terre Brune" Carignano del Sulcis Superiore DOC. Dieser Carignano-Wein ist voller würziger Noten nach Rosmarin, Lavendel, Salbei, ergänzt mit einer Prise Kakao und viel Fruchtigkeit. Die Komposition ist rund, komplex und exzellent ausgewogen, was sie dem Barriqueausbau verdankt, der je nach Jahrgang bis circa 16 Monate und Sorte dauert. "Gambero Rosso" vergibt dem Wein gerne Drei Weingläser, "Bibenda" ist mit Fünf Weintrauben dabei und James Suckling vergibt begeistert 95 Punkte (Jahrgang 2017). "Terre Brune" wird als der beste Rotwein Sardiniens und einer der besten Italiens gehandelt.
Die Weingenossenschaft hat jedoch noch mehr hervorragende Rote zu bieten. Im mittleren Segment hervorzuheben sind "Rocca Rubia" Carignano del Sulcis Superiore Riserva DOC sowie "Noras" Cannonau di Sardegna DOC, der zu 90 % aus der zweiten wichtigen Traubensorte Sardiniens, dem Cannonau, und zu 10 % aus Carignano gemacht ist. Mit der Cannonau-Traubensorte kommen Nuance von roten und schwarzen Früchten, von Erdbeeren, Brombeeren und Pflaumen in den Wein, die sich mit rauchigen und kräutigen Noten nach Rosmarin paaren. Auch hier ist die Textur seidig und die Tannine ausgewogen.
Die Tafelweine der Cantina di Santadi sind im Preis unschlagbar, dabei in der Qualität kaum schlechter als ihre höher eingestuften Pendants. Hervorzuheben sind der aus Carignano und Sangiovese gemachte "Araja" Rosso Valli di Porto Pino IGT, der von den sandigen küstennahen Böden stammt, und der "Grotta Rossa" Carignano del Sulcis DOC, der erneut ein reiner Carignano ist.
Liebhaber von Weißweinen werden in dem vielfältigen Angebot der Cantina di Santadi sicherlich fündig. An erster Stelle steht die Cuvée "Villa di Chiesa" Bianco Valli di Porto Pino IGT, ein Weißwein aus Vermentino und Chardonnay. Auch dieser wird für acht Monate im Barrique ausgebaut und überzeugt durch seine Ausdauer, Kraft aber auch elegante Noten nach Vanille und reifen Früchten.
Wer Dessertweine zu schätzen weiß, der sollte unbedingt den raren "Latinia" Vino da uve stramature bianco IGT probieren! Rar nicht zuletzt wegen der kaum mehr angebauten autochthonen Traubensorte Nasco, die hier rosiniert zu 100 % verwendet wird. Ausgebaut wird "Latinia" in 80 % gebrauchten Barriques und 20 % Edelstahltanks. Der Desserwein überzeugt durch seine Feinheit und den Duft nach eingelegten Früchten – von "Bibenda" bekommt er Vier Weintrauben.
Cantina Sociale di Santadi
Gründungsjahr: 1960
Eigentümer: Cantina Sociale di Santadi, Präsident: Antonello Pilloni
Önologen: wechselnde Önologen der Genossenschaft
Jahresproduktion: ca. 1.700.000 Flaschen
Rebfläche: ca. 606 Hektar in konventionellem Anbau
Notabene: Die Cantina di Santadi freut sich auf Besucher, diese mögen sich jedoch per Formular auf der Internetseite der Weinkooperation voranmelden. Wer einfach nur kurz reinschauen möchte, um die vielen herrlichen Weine der Kooperative zu probieren, der braucht sich nur nach den Öffnungszeiten zu richten. Vorort versäumen Sie nicht, die Relikte aus der Urzeit der Region zu besichtigen, und die Kultur zu atmen, aus der die Weine der Cantina di Santadi entstehen. Schließlich gedeihen die Reben im wahrsten Sinne des Wortes auf dem Grund der Nuragher-Urahnen, deren Überreste nicht selten unmittelbar in oder an den Weinbergen liegen wie bspw. die Tomba di giganti di Barrancu Mannu, die Necropoli di Marchianna, die Nekropole von Montessu, das Santuario Nuragico di Tattinu und fast nur einen Steinwurf von der Cantina entfernt die Area Archeologica di Pani Loriga – Santadi und das Museo Archeologico Comunale di Santadi. Dabei sind es nur die unmittelbaren Nachbarn der Cantina…