Oasi degli Angeli
Tatsächlich ist Oasi degli Angeli ein Phänomen, das nicht nur in den ‚vernachlässigten‘ Marken eine Ausnahme darstellt. Für die Furore der kleinen Weinkellerei sorgten – anders als bei den meisten hochdotierten Weinen – keine dafür bezahlten Fachleute, vielmehr echte Weinenthusiasten, die ihre Weinentdeckungen in den Sozialen Medien und auf Blogs gleichgesinnten Weinliebhabern bekannt machten. Tatsächlich ist dieser rare Wein ein Juwel an unverfälschter, gleichwohl meisterlich vinifizierter und bestens komponierter Authentizität. Für viele Weinliebhaber wurde der vintage „Kurni“ von 1999 zum echten Kult- und Insiderwein lange bevor Fachzeitschriften wie „Milano Finanza“ (Italiens Version des Wall Street Journal) den Wein unter die Top-19 der italienischen Weinen und GAMBERO ROSSO ihn unter die Top-300 mit dem Prädikat „extrem über dem Durchschnitt“ setzte. Gerade diese Auszeichnung ist Goldwert, denn hierbei bewerten die Experten die Weine in einer Bildverkostung.
Oasi degli Angeli: die Ausnahmeweinkellerei in den Marken
Die Tenuta Oasi degli Angeli zählt eher zu den kleinsten italienischen weinproduzierenden Flecken, die von ihren insgesamt 16 Hektar Land nur 7 für Weinberge nutzt. Das kleine Weingut liegt circa 3 Kilometer westlich von der adriatischen Küstenortschaft Cupra Marittima in der Appellation Marche Rosso IGT, die unter den Weinanbauern und Weinliebhabern nicht sonderlich bekannt ist. Unter den Kennern der Materie hingegen hat das Haus Oasi degli Angeli schon längst einen Kultstatus erlangt. Man fragt sich zurecht, was ist das Rezept hinter dem außergewöhnlichen Weinetikett. Die Antwort ist, wie so häufig, recht einfach und gerade deswegen für die meisten Winzer so unerreichbar. Sie hat ihren Ursprung in der Passion für unverfälschte Weine, in der Hochachtung vor der Natur, in einer langsamen und mit besten Ingredienzien und vorsichtiger Technologie kooperierenden Vinifizierung.
Das Winzerpaar Eleonora Rossi und Marco Casolanetti setzen ausschließlich auf organische Bewirtschaftung ihrer Weinberge. Ihnen zur Seite stehen (immer noch) die erfahren Eltern von Eleonora sowie ein gut eingespieltes, mit den speziellen Anbaumethoden vertrautes Arbeiterteam. Die Weinareale liegen im Tal Sant‘ Egidio, das sich durch lockere bis sandige, fossil- und kalkreiche Schwemmböden auszeichnet. Im Weinberg wird naturnahe Arbeit mit ökologisch verträglichen Methoden – als natürliche Fungi- und Pestizide werden seit jeher Repellentien aus Knoblauch- und Orangen-Ölen hergestellt – praktiziert. Die Reben werden im klassischen Alberello-System erzogen und in den Wintermonaten so extrem beschnitten, dass auf die grüne Ernte verzichtet werden kann. Um die Erträge noch niedriger (als sowieso schon) zu halten, gleichzeitig die natürliche Befeuchtung zu optimieren, hat Casolanetti auf den neubestellten Arealen eine ungewöhnliche Dichte von bis zu 40.000 Reben auf einem Hektar Land eigeführt, so dass zwischen den Pflanzen nicht mehr als 50 cm Abstand liegen. Das ist sicherlich ein Rekord in Italien. Penible Sorgfalt, händische Lese, Auslese und eine langsame und vorsichtige Vinifizierung führen zu dem erstaunlichen Ergebnis, das die Weinkellerei mit zwei Weinen von Weltniveau vorführt.
Die Weinberge der Oasi degli Angeli liegen in Südausrichtung auf gut 350 m. ü. M., wo sowohl junge als auch alte Weinreben wachsen, die – man glaubt es kaum – ein Durchschnittsalter von circa 100 Jahren erreichen. Hier werden ausschließlich die Varietäten Montepulciano und Grenache gepflegt. Die letztgenannte ist ein Klon der auf Sardinien als Cannonau bekannten Rebe, die in den Marken Lu Bordò heißt und zunächst ausschließlich auf den alten Weinbergen der Oasi degli Angeli zu finden war. Diese ganz besondere Varietät weckte das Interesse der ASSAM, der Agenzia Servizi Settore Agroalimentare delle Marche, die diese Rebsorte zu untersuchen begann. Es geht dabei sowohl um ihre historische als auch genetische Bestimmung, die Charakteristik und ihre Reproduktion dieses sehr alten Weingewächses. Es hat sich herausgestellt, dass offenbar Schäfer aus Sardinien, die in die Marken ausgewandert sind, diese Reben mit sich brachten und hier pflanzten.
Dass im unterirdischen Weinkeller modernste Technik vorherrscht, versteht sich angesichts der Qualitätserzeugnisse mit dem Oasi degli Angeli Label von selbst. Was weniger selbstverständlich ist, ist die Tatsache, dass der Winzer die Technologien an seine Erfordernisse anpasst und selbst weiterentwickelt. Die erste, besonders lange Spontangärung erfolgt in Edelstahltanks ohne Temperaturkontroll und ausschließlich auf natürlicher Hefe. Eine besondere Behandlung erfahren die Trauben der alten Rebstöcke, die ihre natürliche Gärung in großen Grenier-Eichenfässern starten. Für die besonderen Bordò-Trauben stehen oval geformte Betonranks im Keller. Die lange und langsame malolaktische Gärung erfolgt in neuen französischen Barriques. Nach circa 11 Monaten wird der Wein mithilfe der Schwerkraft zum Altern erneut in neue Barriques umgefüllt, wo er wiederum mindestens weitere 10 Monate verbleibt, bevor er in Flaschen abgefüllt wird. Dem Wein wird nur eine sehr kleine Sulfurmenge und zwar kurz bevor der Flaschenabfüllung beigegeben.
Da dem aus 100% Montepulciano-Trauben gewonnenen Wein an Gehalt und Aromen fehlt, verwendet die Oasi degli Angeli für ihren Vorzeigewein die Methode des Appassimento, bei der die besten Trauben auf Holzgestellen vorgetrocknet werden, bevor sie in die Vinifizierung kommen. Es liegt nicht zuletzt an dieser speziellen und aufwendigen Methode, dass der „Kunri“-Wein mit dem Amarone verglichen wird.
Doch dem Winzer ist der Aufwand mit seinen Weinen nicht genug! Casolanetti setzt statt auf Sulfide auf Sauerstoff, um so den Weinen dauerhafte Komplexität zu verleihen. Das erreicht er mit seinen neuen französischen Barriques, die er nach nur einem Jahr komplett austauscht. Seiner Meinung nach, bieten nur die neuen Fässer ausreichend Porosität, um den Wein mit H20 damit anzureichern, sie verschließen jedoch ihre Poren nach und nach. Insgesamt altern die Kurni-Weine 21 und die Kupra-Weine 30 Monate tatsächlich immer wörtlich zu nehmen neuen kleinen Eichenfässern.
Vom einer Vision zu einer erstklassigen Wein- und Lebensoase
Marco Casolanetti und Eleonora Rossi haben in Sichtweite der Adria eine echte Oase nicht nur für Weine geschaffen, sondern auch für die Seele, die man in einem kleinen „agritourismo“ Hotel baumeln lassen kann. Von alleine ist dieses kleine Wunder nicht passiert. Es erforderte von den beiden viel Arbeit, Disziplin, Umdenken, viel Liebe zu Natur und gesunder Ernährung sowie die fixe Idee, charakterstarke Weine auf höchstem Niveau ganz natürlich zu vinifizieren. Zu einer Tenuta wurde das Gut offiziell im Jahr 1997. Tatsächlich handelt es sich dabei aber um eine Azienda Agricola, um einen landwirtschaftlichen Betrieb, der mittlerweile seine Produkte dem eigenen „Agrartourismus“ zuführt. Eleonora Rossi war, bevor sie Winzerin wurde, Lehrerin, während Marco Casolanetti als Ingenieur und Designer für Motorräder von Ducati und Lamborghini in Mailand arbeitete, wo beide bis zu ihrer weitreichenden Entscheidung auch wohnten.
Das Landgut in den Marken gehörte seit über fünf Generationen Eleonora Rossis Eltern, die in den frühen 1990er Jahren beschlossen, das Land zu verkaufen. Dieses Ansinnen war der entscheidende Anstoß, der das junge Mailänder Paar dazu bewog, ihre langgehegte Idee vom Landleben tatsächlich zu verwirklichen. Marco Casolanetti, so berichtet er, entdeckte das Potenzial des Gutes als er bei einem seiner Besuche vor Ort eine der uralten Weinflaschen aus der Familienproduktion öffnete. Es heißt, dieser Wein, der bisher ausschließlich für den persönlichen Bedarf gekeltert wurde, war sogar nach 40 Jahren lebendig und verblüffend trinkbar.
Mit der Entscheidung für das familiäre Landgut ist das Paar nicht nur Vollzeitwinzer geworden, sondern auch Farmer. Oliven- und Obstbäume, Weizen, Gemüse und etwas Wein wurden hier seit Generationen angebaut. Dazu gehört auch eine kleine artgerechte Kaninchen- und Schweinezucht. Die Ländereien, die das Landhaus und die dazugehörigen Nebengebäude umgeben, waren einst dem Weizenanbau und einer kleinen Parzelle Wein vorbehalten. Die jungen Gutsleute verwandelten die Areale nach und nach in Weinberge, so wie sie sich heutzutage auf insgesamt 7 Hektar präsentieren.
Das Gespann Rossi & Casolanetti hat nicht nur eine kultige Weinkellerei geschaffen, sondern führt auch ein Restaurant mit lokaler Gastronomie und bietet geruhsame Aufenthalte in den Zimmern ihres Landhauses an. Das Restaurant sowie die Herberge sind Steckenpferde der Signora Eleonora, die selbst in der Küche steht und hervorragende regionale Gerichte der Marken zubereitet. Das Gemüse, Obst, Olivenöl und die Fleisch- und Wurstwaren kommen aus dem eigenen Anbau.
Die zwei Zauberweine im Portfolio der Oase der Engel
Es sind nur zwei Weine, die die kleine Weinkellerei Oasi degli Angeli in sehr kleinen Auflagen produziert: den Kultwein „Kurni“ Marche Rosso IGT, einen reinsortigen Montepulciano, und den Zweitwein „Kupra“ Marche Rosso IGT, der erst 1999 das Licht der Welt erblickte. „Kupra“ ist die leichtere Variante seines hochgeschätzten Bruders und man möchte meinen, zu Unrecht ein Stiefkind der Weinkenner, die ihr Augenmerk vor allem auf den Ersten des Hauses Oasi degli Angeli richten. „Kupra“ ist ein reinsortiger Roter aus der alten Rebsorte Grenache. Fachleute vergleichen diesen Wein gerne mit einem Barolo oder einem Burgunder mit fester Struktur, gutem „power“ und einer imposanten Tiefe. Die Vinifizierung der Weintraube gehört nicht zu den ganz einfachen, und dies ist vielleicht auch der Grund, warum Robert Parker und Konsorten den Jahrgängen so unterschiedliche Noten (zwischen 84 und 95) vergeben. Welches Potenzial in den 30 Monate alterndem Wein jedoch tatsächlich steckt, kann man anhand der Jahrgänge 2010 und 2014 bestens imaginieren, die die begehrten Drei Gläser bzw. als „Vini d'Italia“ von GAMBERO ROSSO ausgezeichnet wurden.
Die Weinenthusiasten und die Fachleute sind sich jedoch bei dem Superwein der Oasi degli Angeli einig: „Kurni“ ist ein außergewöhnlicher Charakterwein, der sich durch unglaubliche Komplexität, großem Reichtum an olfaktorischen Nuancen und vollkommen ausbalancierten Tanninen auszeichnet. Er ist ein fruchtbetonter Wein mit viel dunklen Beeren, Kirschen, Blumen, gefolgt von subtilen Röstaromen, Lakritze und warmer Würze. Ein unglaublich langer Abgang mit gut eingebundener Säure krönt den Wein. Beide Weine sind sowohl wegen ihrer Einmaligkeit im Trinkerlebnis als auch wegen der kleinen Produktionsmengen echte Raritäten, die beide sehr lange lagern können. Die Gesamtproduktion des „Kurni“ liegt bei circa 5.000 und des „Kupra“ bei nur 1.000 Flaschen. Da sollte man nicht lange zögern und schnell zugreifen.
Oasi degli Angeli
Gründungsjahr: 1997
Eigentümer: Eleonora Rossi und Marco Casolanetti
Önologe: Marco Casolanetti
Jahresproduktion: ca. 7.000 Flaschen
Rebfläche: ca. 7 Hektar in organischem Anbau
Notabene: Der Besuch der Azienda Agricola und die Verköstigung der Weine gestalten sich insofern sehr einfach, als dass Oasi degli Angeli ein hervorragendes Restaurant beherbergt und darüber hinaus auch gemütliche Zimmer vermietet. Zur Sicherheit sollten die aktuellen Öffnungszeiten und Belegung des Hotels per eMail oder telefonisch angefragt werden. Zurzeit kocht Signora Eleonora ihre ganz kreativ abgeänderten Spezialitäten aus den Marken nur an den Wochenenden. Ein Wermutstropfen: Im Moment ist die Homepage der Oasi degli Angeli durch veraltete Technologie kaum und wenn dann nur auf Italienisch erreichbar. Ein bisschen entschädigt dabei die nette cartoon-artige Intro dafür. Übrigens, es heißt, die Familie Rossi wurde früher im Dorf „Kurni“ gerufen.