Castellare di Castellina
Aus Liebe zu Kultur, Kunstgeschichte und Sangiovese hat er das Castellare und seine Weinberge mit viel Achtung vor der Natur und Stilgeschichte in detailverliebter Arbeit neu entstehen lassen. Besonders sehenswert ist der unterirdische Schatz der San Niccolò Kirche, denn seine Katakomben dienen dem Weingut als Alterungskeller für den Super Tuscan „I Sodi di San Niccolò“. Paolo Panerai ist ein Natur-huldigender Perfektionist, der klassische Weine der Chianti-Region modern auslegen will, ohne aber ihnen das Typische abzugewöhnen. Modern heißt für den Winzer aus Passion nicht „modisch“, daher sind seine Chianti-Classico-Weine zugleich zeitgemäß und traditionell in einem. Die führende italienische Fachzeitschrift GAMBERO ROSSO sieht im Castellare di Castellina sogar ein Weingut, das toskanische Weine „mit Modellcharakter für die ganze Region macht“. Typisch für das Castellare sind charakterstarke, exzellent strukturierte Weine mit viel Alterungsvermögen.
Hohe Chianti-Weinberge mit eigenem Biotop
Wie immer, wenn es sich um ein Weingut mit herausragenden Erzeugnissen handelt, treffen umsichtig bearbeitete Weinberge, beste Lagen und ein langsames, vorsichtiges Vinifizieren in modern ausgestattetem Keller zusammen. Nicht anders verhält es sich beim Castellare di Castellina. Der Erneuerer des Weinguts, Paolo Panerai, hat parallel zu seiner Suche nach optimalen Weinparzellen nach besonderen Klonen, vor allem der Sangiovese-Trauben, gefahndet. Er wurde mit dem Sangioveto fündig, der neben einigen anderen autochthonen Rebsorten wie der Malvasia Nera und Canaiolo auf den steilen Weinbergen in Höhen bis zu 400 m. ü. M. wächst. Daneben werden auch Merlot, etwas Sauvignon Blanc und Chardonnay angebaut. Die Bodenbeschaffenheit auf den insgesamt 33 Hektar Weinland variiert von stark kalkhaltigen, tonhaltigen über die sogenannte Galestroböden bis hin zu sehr harten Steinböden, die hier „Soda“ heißen. Viele der Lagen erstrecken sich über steile Hanglagen, die eine aufwendige Handarbeit erfordern. Von Anfang an wurde auf der Tenuta Castellare di Castellina auf Nachhaltigkeit und naturverbundene Bewirtschaftung der Weinberge gesetzt. Ein einmaliges Beispiel für die Umsicht des Gründers ist das bis heute geschützte Naturreservat, das Panerai auf seinen Weinbergen einrichten ließ, um der heimischen, von Aussterben bedrohten Flora und Fauna einen Schutzraum zu geben. Dieses Biotop, das selten gewordenen Vogelarten eine Heimat bietet, hat leider trotz des italienischen Booms für naturnahe Weinbergbewirtung keine Schule gemacht.
Das Castellare di Castellina liegt in der Appellation Chianti Classico und besteht aus insgesamt 80 Hektar Land, wovon 20 Hektar auf Olivenhaine entfallen und 33 Hektar mit Reben bestockt sind. Die Reben haben ein sehr unterschiedliches Alter zwischen 7 und 50 Jahren. Die Hektarerträge werden zum Wohle der Pflanzen und der Weinqualität besonders niedrig gehalten. Auf den Weinbergen des Castellare di Castellina wird auch gerne experimentiert mit beispielsweise Microvinifikationen, deren Ergebnisse zur Auswahl der besten Klone von Sangioveto und Malvasia Nera führen. Diese Experimente wurden in Zusammenarbeit mit Professoren der Mailänder und Florentiner Universitäten durchgeführt und waren Gegenstand von Promotionsstipendien. So erarbeitete das Team die besten Klone für das jeweilige Terroir, wobei nicht nur das allgemeine Klima, sondern der spezielle Boden und die mikroklimatischen Wetterverhältnisse berücksichtigt wurden. Gleichzeitig verzichtet Castellare di Castellina auf jedwede synthetische Chemikalie, Pestizide und Herbizide. Ein deutliches Statement des Weinguts sind seine Weinetiketten, die jene einheimischen Vögel abbilden, die durch den exzessiven Einsatz von Umweltgiften in den Weinbergen vom Aussterben bedroht sind.
Mit der stetigen Erweiterung des Weinguts stieg der Bedarf nach größeren Produktionskapazitäten (von anfänglichen 200.000 auf über 400.000 Flaschen pro Jahr) und damit die Notwendigkeit eines neuen, modernen Weinkellers. So entstand unterhalb des alten Weinguts ein großer moderner Komplex, das architektonisch an mittelalterliche Castello-Formen festhält. Zum Vinifizierungsstandards des neuen Weinkellers gehört die Fermentation in Edelstahltanks, die temperaturkontrolliert abläuft, doch man verzichtet hier nicht auf traditionelle Behälter wie die Betontanks. Kein geringer als der italienischer Winzerguru Giacomo Tachi wurde als Berater hinzugezogen, der die alten Betontanks als unentbehrlich in der toskanischen Weinproduktion ansah, und so wurden sie restauriert, lasiert und nach Tachis Prinzipien wieder der Vinifizierung zugeführt. In dieses Tanks ruht der Wein einige Monate lang bevor er dann abgefüllt wird. Tachis ‚Prinzip‘ des Betontanks beruht auf der Ansicht, dass der Beton die Fähigkeit besitzt, die einzelnen Komponenten des jungen Weins harmonisch zusammenzubringen. Auf Castellare werden seit seiner Renaissance in den 1970er Jahren französische Barrique-Fässer verwendet, womit das Weingut zu den ersten in Italien gehört, die den Einsatz der kleinen ausländischen Fässer im Alterungsprozess favorisierte. Der Önologe auf Castellare ist kein geringer als der Star unter seinesgleichen, Alessandro Cellai. Unter seiner Regie entstehen traditionelle Chianti auf moderne Weise.
Die Renaissance des Chianti Classico
Das Weingut Castellare di Castellina besteht seit dem 19. Jahrhundert, wahrscheinlich ist aber, dass hier schon im Mittelalter Wein angebaut wurde. Heutzutage setzt sich das Weingut aus ehemals vier unabhängigen Agrarwirtschaften zusammen: Castellare, Caselle, San Niccolò und Le Case. Der Initiator dieser Zusammenlegung ist Paolo Panerao, der die Weingüter Jahren aufkaufte und sie zu restaurieren begann. Sein Ziel war die Renaissance des italienischen Weins, an der er durch exzellente Qualität und umsichtige, traditionelle Bodenbearbeitung mitwirken wollte. Seine ganze Aufmerksamkeit galt dem Chianti Classico, dem er aus der Talsohle heraushelfen wollte, in die sehr viele ehemals großartige Weine Italiens aufgrund von Misswirtschaft und reiner auf Quantität ausgerichteten Profitdenke hineingeraten sind. Paolo Panerao besuchte einige herausragende Weingüter in Frankreich und den USA und diskutierte viel mit internationalen und nationalen Weingrößen über die besten Anbau- und Vinifizierungsmethoden, ließ sich von Professoren beraten und einen experimentellen Weinberg mit an die 120 verschiedenen Sangiovese-Klonen anlegen, der unter der Leitung von Professor Attilio Scienza (Universität Mailand) und Mitarbeitern der Universität von Florenz stand. Ziel war es, die besten Sangiovese-Klone, die hier Sangioveto genannt werden, zu ermitteln. Emile Peynaud, einer der wichtigsten Önologen damaliger Zeit, hat Panerao beraten bei dem Einsatz von französischen Barriques, die zu diesem Zeitpunkt noch ein Novum in der Toskana waren. Er war es auch, der den Winzer zur Seite stand, um den modernen Weinherstellungsprozess so zu optimieren, dass am Ende wieder die klassischen toskanischen Weine auf hohem Qualitätsniveau erneut das Licht der Welt erblicken.
Ohne die Arbeiter des Weinguts, die von der Pike bis hin zu Abfüllung mit der Weinherstellung beschäftig sind und für die beste Durchführung einstehen, gäbe es keine Qualitätsweine auf Castellare – diese Einsicht vertritt Paolo Panerao und zollt den Fähigkeiten und der Arbeit seiner „Mezzadri“ viel Achtung. Auf das Weingut eingeladene Künstler wie der Bildhauer Matteo Spender, der eine den Mezzadri gewidmete Skulptur schuf oder der Fotograf Giuseppe Pino, der die Arbeiter porträtierte, sind gewisser Weise das Dankeschön des Gutsbesitzers an sein Arbeiterteam. Dies war die Arbeit von zwei Assistenten von Professor Scienza, für die Castellare hatte gründete zwei Promotionsstipendien.
Portfolio der Chianti Classico und anderer toskanischen Charakterweine
Das Portfolio von Castellare umfasst acht Rotweine, drei Weißweine und einen Dessertwein. Die Steckenpferde der Tenuta sind die Chianti-Weine, allen voran der Einstiegswein „Quercesola“ Chianti Classico DOCG, gefolgt von Chianti Classico DOCG und „Il Poggiale“ Chianti Classico DOCG, beide auch als Riserva-Ausführungen in besonders guten Weinjahren zu haben. Doch wie es manchmal der Zufall so will, ist nicht ein Chianti der Lieblingswein der Weinliebhaber der Castellare di Castellina, sondern der „I Sodi di San Niccolò“ Toscana IGT, ein intensiver, Tannin-reicher Roter aus 85 % Sangiovese und 15 % Malvasia Nera, der 18 Monate im Barrique verbleibt und noch mindestens 15 Jahre nachreifen kann: sehr komplex am Gaumen und voller warmer Gewürze und blumigen Noten, ausgewogen durch Malvasia. Er erntet drei Weingläser von Gambero Rosso und 95 Punkte von James Suckling (Jahrgang 2016). Ihm fast ebenbürtig, jedoch gänzlich anders strukturiert ist der reinsortige Merlot „Poggio ai Merli“ Toscana IGT, der je nach Jahrgang Aromen von Walnuss und Schokolade bis Kirsche und leichte Blumennoten entwickelt. Er überzeugt mit einem vollen Körper, der jedoch genau die richtige Portion Frische und Knackigkeit bietet. Vielleicht derjenige Wein des Portfolios, der den spezifischen Stil des Castellare und des Terroirs am besten verkörpert.
Castellare di Castellina
Gründungsjahr: 1968
Eigentümer: Paolo Panerai
Önologe: Alessandro Cellai
Jahresproduktion: ca. 400.000 Flaschen
Rebfläche: 33 Hektar in naturnahem Anbau
Notabene: Neben Weinen produziert Castellare auch einen Grappa, ein fruchtiges Olivenöl und ein Balsamico. Die Tenuta kann nach Voranmeldung in einer circa einstündigen Führung besichtig werden. Dazu gehört auch eine Degustation mit einigen kleinen Delikatessen der Region. Stilvolle Unterkünfte in alten Gemäuer bieten sich an, um auf dem schönen Weingut einige Tage zu verbringen.