Mastroberardino
Die Besitzer dieser Kellerei können stolz auf ihre beachtenswert große Biodiversität sein, die sie zu Hütern der beinahe ausgestorbenen regionalen Weintrauben macht. Zurecht stolz sind sie aber auch auf einen der besten Weine Süditaliens, auf den Radici Taurasi DOCG. Der Wein ist im besten Sinne des Wortes eine Wucht, die ihr Potenzial erst nach gut 20 Jahren entfaltet. Doch dieser preisgekrönte Wein ist durchaus auch jung trinkbar. Am besten, man kauft zwei davon – für jetzt und für ein bisschen später… Wie langlebig dieser außergewöhnliche Spitzenwein ist, stellen die Flaschen aus den 1920er/30er Jahren, die die Familie Mastroberardino in ihrem Weinkeller lagert. Es stellt sich nur noch die Frage, wie man an eine entsprechende Degustation herankommt.
Auf Weinforschung eingestellte Mastroberardino
Die Azienda Mastroberardino liegt circa 62 Kilometer östlich von der Stadt Neapel aber nur einen Katzensprung entfernt von dem schönen Parco Regionale del Partenio. Der Vesuv grüßt aus circa 50 Kilometer Luftentfernung. Mastroberardino ist eine rare Ausnahmekellerei – nicht nur, weil sie in ihrem großen Portfolio hervorragende Weine produziert, sondern auch weil sie ein beachtenswertes Projekt verfolgt, das auf möglichst große Biodiversität setzt. Seit ihrer Gründung im 19. Jahrhundert haben die Winzer der Azienda es verstanden, sich auf autochthone, vom Aussterben bedrohte Traubensorten zu spezialisieren. Ihr Einsatz um die regionalen Reben hat so manche von ihnen vor dem vollständigen Untergang bewahrt. Als die Winzer nach den Weltkriegen und den großen Rebkrankheiten bestrebt waren, robuste Weinreben und international absetzbare Weine zu produzieren, hat die Azienda weiterhin an den regionalen Diversitäten festgehalten, danach gesucht und sie auf den eigenen Weinfeldern kultiviert. Auf den heutigen Weinbergen der Mastroberardinos wachsen vor allem autochthone Reben wie Aglianico, Coda di Volpe, Falanghina, Fiano und Greco di Tufo. Einige der Gewächse stammen aus den 1920er Jahren und werden weiterhin für Vinifizierung verwendet. Bei soviel Einsatz für Traubensorten wundert es nicht, dass die Azienda besonders auf das richtige Zusammenspiel zwischen Bodenbeschaffenheit, Erziehungsmethode und Bedürfnisse der jeweiligen Pflanze achtet. Heutzutage, wo Biodiversität über die Qualität unserer Zukunft mitentscheidet, ist die Weinkellerei beispielhaft nicht nur für die Winzer der Region.
Das Terroir, das die Weinberge der Azienda auszeichnet, ist durch den Vesuv bestimmt. Die Appellation in Irpinia erstreckt sich auf 300 bis 800 M.ü.d.M. und vereinigt drei DOCG-Anbaugebiete Kampaniens für Fiano di Avellino, Greco di Tufo und Taurasi. Um so höher die Weinberge liegen, desto schwieriger sind die klimatischen Bedingungen, die mitunter die Reben in extreme Situationen bringen, aber um so spannendere Weine erzeugen.
Zu Azienda Mastroberardino gehören insgesamt 300 Hektar mit Reben bestücktes Land. Davon bewirtschaftet die Azienda 150 Hektar selbst, während die andere Hälfte an andere Weingüter langfristig verpachtet wird. Das Mutterhaus befindet sich im Radici Resort di Mirabella. Hier liegt auch das eigene Forschungslabor sowie die größte Rebfläche der Gemeinde Irpinia auf 400 Metern Höhe. Die bisher 15 unterschiedlich große Weinparzellen sind auf das gesamte DOCG-Gebiet verteilt und wurden sorgfältig nach den Bedürfnissen der jeweiligen Rebsorte ausgesucht. Das Weingut Mirabella Eclano beispielsweise bewirtschaftet 65 Hektar Weinberge von vulkanischen, mit Sand und Lehm durchsetzten Böden. Die auf 400 Metern Höhe liegenden Weinberge gehören zur Taurasi DOCG und sind in südwestlicher Richtung ausgerichtet. Hier wachsen die Aglianico- und Falanghina-Rebsorten aus denen die „Falanghina Irpinia“ und der bemerkenswerte „Radici Taurasi“ gemacht werden. Das Weingut Sant Stefano del Sole liegt mit seinen 9 Hektar großen Rebflächen auf 550 Metern Höhe und besteht aus vorwiegend sandigen Böden, die nach Südwesten ausgerichtet sind und zum Fiano di Avellino DOCG gehören, woraus der gleichnamige Radici-Wein entsteht. Das Weingut Montefusco mit seiner 16 Hektar umfassenden Rebfläche auf 500 Metern Höhe baut ausschließlich die Rebsorte Greco di Tufo an, die bestens auf dem kalksteindurchsetzten Lehmboden mit Südwestlage gedeiht. Sie zählt zu den ältesten bekannten Rebsorten überhaupt und verweist im Namen auf ihren möglichen griechischen Ursprung.
Das Weinunternehmen arbeitet an verantwortungs- und umweltbewussten, modernen Produktionsmethoden: „Wir haben Verfahren festgelegt, mit denen wir neben dem Kraftstoff- und Energieverbrauch auch Emissionen in die Atmosphäre, Wassereinleitungen, Abfälle sowie deren Auswirkungen auf das Terroir, die Wasserressourcen und die Luft erfassen und überwachen“, lässt das Unternehmen verlautbaren. Ziel ist es, die Weinkellerei bis 2017 noch nachhaltiger in der Produktion zu gestalten und zertifizieren zu lassen. Das Projekt bezeichnet das Unternehmen als „MastroGreen“ und würdigt es mit einer eigenen Homepage.
Pompeji und Mastroberardino
Vor dem Hintergrund der herausragenden Leistungen der Mastroberardinos auf dem Forschungsgebiet der autochthonen Traubensorten Kampaniens trat 1996 der Archäologenrat der historischen Stätte Pompeji an die Winzerfamilie mit einem ungewöhnlichen Projekt heran. Es ging dabei um die Wiederbelebung der alten Rebflächen, die vor der vulkanbedingten Zerstörung der Stadt dort bestellt wurden. Das Experiment, das Mastroberardino in dem zunächst nur einen Hektar umfassenden historischen Weingebiet betreibt, besteht aus den im Altertum angebauten Rebsorten Piedirosso und Sciascinoso. Der aus diesen Trauben seit 2001 (ab 2003 im Verkauf) gekelterte Wein heißt „Villa dei Misteri“ und ist eine Cuvée aus 90% Piedirosso und 10% Sciascinoso. Der Erlös dient der konservatorischen Erhaltungsmaßnahmen der Ausgrabungsstätte von Pompeji.
Die Geschichte der Azienda Mastroberardio
Der ungewöhnliche Name der Azienda hat eine interessante Historie: Er setzt sich zusammen aus dem Namen des Gründers, Piero di Berardino, der das Weingut 1750 aus der Taufe hob, und seiner Berufsklassifizierung „Mastro“ für Meister. Tatsächlich war Piero ein verbürgter Kellermeister, dem weitere zehn Kellermeister aus seiner Familie folgten. Schließlich wurde 1878 nicht nur der Umzug des Hauptsitzes in die Gemeinde Atripalda vorgenommen, sondern auch die Bezeichnung „Mastroberardino“ als Nachname offiziell beantragt und genehmigt, sodass die Familie di Berardino nun nach ihrer Weinkellerei heißt. Zu verdanken ist dieser ungewöhnliche Umstand dem ersten dieses Namens, Angelo Mastroberardino und Cavaliere dell’Ordine della Corona d’Italia. Er ist der Urgroßvater des aktuellen Besitzers der Azienda, Piero Mastroberardino. Von seinem Vater Antonio Mastroberardino hat Piero nicht nur die Ländereien, sondern auch die Passion für die autochthonen Rebsorten geerbt.
Antonio war bereits in den schwierigen Nachkriegsjahren großer Verfechter der traditionellen Weine der Region und stemmte sich immer wieder gegen den sozialen und politischen Druck der Winzer und örtlicher Politiker, die ihn davon zu überzeugen suchten, auf ‚internationale‘, angepasste Weinsorten umzusteigen. In den 1950er Jahren ist ihm mit seinen lokalen Gewächsen der erste wichtige Erfolg gelungen, der stetig ausgebaut wurde, und einige andere Winzer dazu brachte, auf die Autochthonen zu setzten. Sein Lebenswerk wurde mit der begehrten Auszeichnung zum Cavaliere al Merito del Lavoro national geehrt. Nichtsdestotrotz war die Azienda Mastroberardino bis in die 1990er Jahre die einzige Weinkellerei, die Qualitätsweine aus den lokalen Traubensorten vinifizierte. Wie sein Vater so werden die Erfolge seines Sohns und heutigen Leiters des Unternehmens, Piero Mastroberardino, vielfach geehrt. Piero Mastroberardino ist Winzer in der zehnten Generation, darüber hinaus tätig als Universitätsprofessor für Unternehmensführung und Künstler. Er ist Autor zahlreicher wissenschaftlicher aber auch literarischer Publikationen, zu denen zwei Romane, „Umano Errare“ und „Giro di Vite“, und zwei Gedichtsammlungen, „All’origine dei sensi“ und „Frammenti“, gehören. Als Maler und Grafiker nimmt er regelmäßig an nationalen und internationalen Ausstellungen teil. 2015 schließlich wurde er zum Präsident des Instituts des Italienischen Qualitätsweins Grandi Marchi gewählt.
Mastroberardinos großes Portfolio mit Spitzenweinen
Obwohl die Azienda Mastroberardino entsprechend ihrer 300 Hektar großen Anbaufläche auch ein großes Portfolio an sehr unterschiedlichen Weinen in sieben Linien – Icon, Cru, Heritage, Vintage, Villa die Misteri, Smart und Passiti – zu bieten hat, verzichtet sie nicht auf Spitzenweine für Weinkenner. Unter ihnen sei an erster Stelle der herausragende Radici Taurasi DOCG genannt. Nicht wenige Weinkenner sprechen dabei von einem Meisterwerk, das zurecht das Flaggschiff des Unternehmens ist. Bei dem Taurasi handelt es sich um einen sortenreinen Aglianico, dessen Kennzeichen die komplexen Noten nach knackigen Kirschen, Schokolade und Pfeffer sind – dicht am Gaumen und fruchtbetont im Finish mit guter Säure und gut eingebundenen Tanninen. Der Taurasi-Wein muss nach Vorschrift aus mehrheitlich Aglianico mit maximal 15% Beteiligung von anderen roten Trauben gekeltert sein und mindestens 2 Jahre im Holz und ein Jahr in der Flasche reifen. Der Radici Taurasi ist ohne Frage einer der besten – wenn nicht gar „der beste“ – unter den Weinen Kampaniens. Er ist sowohl jung als auch in 20 Jahren – dann mit voller Entfaltung seines Potenzials – zu genießen. Kein Wunder also, dass es hier an ausgezeichneten Bewertungen nicht mangelt. Für den Taurasi Riserva von 2011 gab es von Gambero Rosso Zwei Gläser, von Bibenda gar Fünf Weintrauben, Slow Wine bezeichnet ihn als „Grande Vino“ und Luca Maroni hat 98 Punkte übrig. Weiterer Erwähnung verdient der Cru Radici Fiano di Avellino DOCG aus der Heritage-Linie, ein mineralischer, lebendiger Weißer voller Apfel- und Honig-Aromen mit einer nussigen Komponente. Und der Novaserra Greco di Tufo DOCG aus der Vintage-Linie mit ausgeprägten Bouquet nach Mandeln und Zitrusfrüchten. Auch dieser Weißwein bringt etwas Mineralisches mit sich und verfügt über eine gute Struktur.
Azienda Mastroberardino
Gründungsjahr: 1750/1878
Eigentümer: Pietro Mastroberardino
Önologe: Massimo di Renzo
Jahresproduktion: ca. 2.000.000 Flaschen
Rebfläche: 300 Hektar im konventionellen, umweltfreundlichen Anbau
Notabene: Im Portfolio des Weinguts finden Sie sowohl Grappe als auch kaltgepresstes natives Olivenöl. Besuchen Sie die Weinkellerei nach Voranmeldung, wenn Sie eine Besichtigung planen, und lassen Sie sich die raren Radici Taurasi Flaschen aus den 1920er und 1930er Jahren zeigen, die die Familie im Keller hütet. Verwöhnen können Sie sich auch in dem familieneigenen „Radici Resort“ in Mirabella Eclano, das inmitten des Taurasi-DOCG-Appellation liegt. Für die leiblichen Genüsse sorgt ein Gourmetrestaurant, das Ristorante Morabianca, das allen offensteht.