Barbi
Uralte Weinberge zwischen Feldern und Wäldern
Die Ländereien in Montalcino werden seit dem 14. Jahrhundert bis heute kontinuierlich von der Familie Colombini bewirtschaftet. Ihre Fattoria zählt zu den allerersten, die Brunello di Montalcino erzeugten, und ist damit eine der älteste Weinbetriebe der Toskana. Circa 370 Hektar Land gehören heutzutage zu der Fattoria dei Barbi, wovon bisher 110 Hektar für Weinberge reserviert sind. Der Rest teilen sich Felder, naturbelassene Wälder und Olivenhaine untereinander. Die Fattoria dei Barbi setzt sich mittlerweile aus zwei Weingütern zusammen: der Cantina dei Barbi, die in dem berühmten Weinort Montalcino liegt, und dem Weingut L’Aquilaia dei Barbi in der Nähe von Scansano in der Maremma. Während die erste hervorragende Brunellos herstellt, ist die zweite für ausdrucksstarke Morellino dei Scansano in der DOCG-Appellation Scansano verantwortlich.
Barbi rühmt sich, den ersten Brunello di Montalcino produziert zu haben, und auf diese Weise an der Definition dessen mitgearbeitet zu haben, was heute der „klassische Brunello“ heißt. Dabei gehörte die Fattoria nie der traditionalistischen Front unter den regionalen Winzern an. Damals wie heute steht sie allen technischen Innovationen und wissenschaftlichen Erkenntnissen auf dem Sektor der Weinherstellung offen gegenüber, vorausgesetzt, sie kommen der Produktion von Top-Qualitätsweinen zugute.
Barbi blickt zurück auf ihre vielen Bemühungen um den regionalen Vorzeigewein zurecht mit viel Stolz. Hier wurde seit den 1960er Jahren kontinuierlich innovative Pionierarbeit geleistet, organische Düngemittel eingesetzt, die erste „künstliche Nase“ (sog. eNase) zur Weinanalyse (Acid-Konzentration, Aromenklassifikation, Weinherkunft, Fehler bei Hefegärung) entwickelt und Kohlendioxid zur Kältevergärung von Rotweinen benutzt. Die Familie Colombini betont gerne, dass die technischen Neuerungen nur dann praktischen Einsatz finden, wenn sie mit der traditionellen Weingewinnung vereinbar sind und die Charakteristik der Weine nicht verfälschen. 1969 kreierte die Fattoria dei Barbi den ersten sogenannten „Super Tuscan“, einen herausragenden, international höchstdotierten Wein, der aus einer nicht zertifizierten Appellation stammt.
Dem Qualitätsdenken stark verschrieben, reduziert die Fattoria dei Barbi die Bepflanzung der Weinberge auf circa 5.000 Rebstöcke, die eine durchschnittliche Produktion von 1,5 Kilogramm Traubenmaterial pro Wein ergeben. Diese Weinberge ergeben durchschnittlich 200.000 Flaschen des Brunello-Weins.
Die Fattoria dei Barbi baut ihre Weine sowohl in traditionellen kleinen Fässern aus Eichenholz, die hier „Caratelli“ genannt werden, als auch in Tonneaux- und Barriques aus. Daneben finden je nach Wein auch größere Eichenholzfässer und Edelstahltanks Verwendung. Insgesamt verfügt alleine die Cantina dei Barbi über 300 Holzfässer, die in dem uralten Keller der Öffentlichkeit zugänglich sind. Für Weinliebhaber ist vor allem die hauseigene Weinflaschensammlung von Interesse, die mit dem ersten Wein von 1870 beginnt und kontinuierlich bis heute erweitert wird. Möglicherweise handelt es sich hierbei um eine der größten Sammlungen dieser Art in der Welt.
Alte Geschichte der Fattoria dei Barbi
Die Fattoria dei Barbi wurde 1790 von der Familie Colombini erworben und nach und nach zu einem führenden Weingut für Qualitätsweine ausgebaut. Heute wird die Fattoria von den Nachfahren des ersten sich unter anderem als Winzer betätigten Landbesitzers und Juristen, Paolo Colombini, weitergeführt, der nachweislich 1352 Land in Montalcino erwarb. Die Wurzeln der Familie Colombini stecken tief in der Geschichte der Städte Siena und Montalcino. Erwähnung findet die noblen Colombinis bereits seit dem Jahr 1000, 1200 wurde die Familie geadelt und ab Mitte des 14. Jahrhunderts sind die Colombinis in Montalcino tätig. Hier wie in Siena waren sie sowohl als Landherren als auch reiche Bankiers bekannt und auch in der Politik aktiv gewesen. Ihre Geschichte ist so turbulent und spannend, dass sie einer eigenen Lektüre wert ist (nachzulesen auf der Homepage der Fattoria). Unter ihren Vorfahren finden sich sowohl begnadete Winzer als auch freizügige Dichter, fragwürdig seliggesprochene Mitglieder, die ihre Familien zwangen, in Armut zu leben, indem sie ihr gesamtes Hab und Gut der Kirche vermachten, aber auch aufrechte Nonnen, berühmte Medizinwissenschaftler und flüchtende Straftäter. Der letztgenannte war kein geringer als der Statthalter von Montalcino selbst: Stefano Colombini, der an einer Schlägerei teilnahm und dabei einen Mann blendete, floh anschließend vor dem Gesetzt aus der Stadt. Das trug sich im 16. Jahrhundert zu.
Als Winzer agierten die Colombinis wesentlich umsichtiger und gleichzeitig weitsichtiger. Seit 1352 sind sie als Landbesitzer in Montalcino urkundlich bekannt, auch wenn die Fattoria dei Barbi erst 1790 erworben wurde. Mit der Herstellung von Brunello wurde dort ab 1892 begonnen, was die Fattoria zum zweitältesten Weingut (nach Biondi Santi) macht, das mit der Herstellung von Brunello-Weinen begann. Es war der Sohn von Paolo – Pio Colombini –, der als Medizinwissenschaftler ein Mittel gegen Syphilis erfand und scheinbar nebenbei auch die erste Flasche Brunello produzierte. Nachdem er in die adelige Familie der Padelletti aus Montalcino einheiratete, wurde die altehrwürdige Vila Podernovi zum Weinkeller und Experimentierstätte des Weinguts – und ist es bis heute geblieben. Bereits 1817 exportierte Pio Colombini als erster seine Weine in Flaschen nach Frankreich – der erste exportierte Brunello war 1832 mit von der Partie. Mit seinem 1906 geborenen Sohn Giovanni Colombini beginnt die moderne Ära des Weinanbaus auf der Fattoria. Auf Giovanni geht die erste öffentliche Weinhandlung Italiens zurück, die er in dem Castello von Montalcino eröffnete. Eine innovative Geste Richtung Weintourismus war auch die Öffnung seines Weinkellers für die Öffentlichkeit, was in den 1950er Jahren ein Novum war. Als erster betrieb er Weinhandel auf schriftliche Order und verschickte ab 1962 als erster seine Flaschenweine nach Amerika, 1969 nach England und schließlich – wiederum als erster – 1975 nach Japan. Mit dem „Brusco dei Barbi“ entstand im Jahr 1969 sein erster „Super Tuscan“. Seine innovative Ader zeigt sich auch in der Kreation des ersten sortenreinen Grappa di Bruennlo von 1974.
Giovanni Colombini starb im Jahr 1976. Die Führung der Fattoria dei Barbi übernahm zunächst seine Tochter Francesca und anschließend ihr Sohn Stefano Cinelli Colombini. Unter seiner Führung wurde das Weingut modernisiert, erweitert und in jeder Hinsicht weiterentwickelt. Der studierte Rechtswissenschaftler hat der Arbeit auf dem Familienanwesen der Juristerei vorgezogen und ging erst einmal in den frühen 1980er Jahren in die Lehre, um anschließend nicht nur Weinberge, sondern auch Wälder, Getreidefelder, Mühlen, Olivenhaine, Schweine- und Schafszucht, Molkerei, ein Restaurant, mehrere Landgüter und Mietobjekte zu verwalten. Bewährt hat er sich zunächst als Leiter der Fattoria del Colle in Trequanda, einem Gut, das seit dem Mittelalter seiner Familie väterlicherseits gehört.
1985 übernahm Stefano schließlich die Führung über das Weingut dei Barbi, das er bis heute mit viel Werft, Knowhow, Liebe zu Geschichte, Landschaft und Tradition – und natürlich nicht zuletzt zum Wein – führt. Mit dem Erwerb des Guts Aquilaia in Scansano im Jahr 1997 erweiterte Stefano noch einmal die Weinberggesamtfläche auf insgesamt 110 Hektar, baute dort einen neuen Keller, restaurierte das alte Anwesen und erneuerte die Weinreben von Grund auf. Daneben findet der sehr umtriebige Grundbesitzer und Winzer noch Zeit, um Vorstandsmitglied der beiden Konsortien Brunello di Montalcino und Morellino di Scansano zu werden, ferner Mitglied der Accademia Nazionale della Vite e del Vino und der Accademia dei Georgofili – der renommiertesten Landwirtschaftsakademien der Welt – und ist gleichzeitig federführend bei einigen Experimenten, wie da wären: 2001 entwickelte er gemeinsam mit der Universität Pisa die erste Kaltmazeration mit Kohlendioxyd für Rotweine, seit 2000 arbeitet er zusammen mit der Universität Bologna an vier Sangiovese-Klonen aus dem ältesten Weinberg in Montalcino, um daraus den ersten Montalcino-Sangiovese zu machen, er war an der Entwicklung der „eNase“ mitbeteiligt, die die verschiedenen Trauben im Wein nachspüren sollte, 2008 setzte er sich im Consorzio del Brunello (dessen Vizepräsident er seit 2015 ist) dafür ein, dass der Brunello weiterhin aus 100% Sangiovese besteht und keine anderen Trauben beinhalten darf, und schließlich meldete er 2014 zusammen mit der Universität Pisa ein Patent an für die Herstellung von Weinen ohne Sulfitzusätze. Auch das 2004 eröffnete Museo della Comunità di Montalcino et Brunello, das auf 1.000 Quadratmetern die große Geschichte des Brunellos und der damit verbundenen Region vermitteln möchte, geht auf Stefano Cinelli Colombini zurück.
Erwähnungswürdig ist auch sein schriftstellerisches Engagement, das mit der von ihm gegründeten Monatszeitung „Gazzettino und Storie del Brunello und Montalcino“ (hrsg. bis 2008) begann. Zu seinem schriftstellerischen Werk gehören die kurze Geschichte der Stadt Montalcino und die Entstehung des Brunello-Weins „Appunti per una storia di Montalcino und Brunello“ und das 2019 veröffentlichte Buch „Brunello, ritratti a memoria. Storia, protagonisti e luoghi del mito“, das mit seiner Wahl zum Vizepräsidenten des Landkreises Montalcino zusammenfällt.
Nicht nur Brunellos: das Portfolio der Fattoria dei Barbi
Sicher, der Brunello di Montalcino DOCG, den die Fattoria in zwei Labels in „Blue“ und „White“ herausgibt, sind die Vorzeigeweine des Unternehmens, das daneben insgesamt neun weiße wie rote Weine produziert.
Das Flaggschiff der Fattoria ist der Brunello di Montalcino DOCG aus der Blauen Reihe. Mit diesem Wein wurde das Weingut in der ganzen Welt bekannt, seine Geburtsstunde ist das Jahr 1892 und diese vintage Flaschen können Sie im historischen Keller der Fattoria neben den Tausenden anderen Brunello-Flaschen, die nach ihm kamen, bestaunen. Der Zweitwein des Hauses Barbi ist der „Vigna del Fiore“, ein Brunello di Montalcino DOCG mit dem Weißen Label. Für diesen Wein werden ausschließlich die besten Trauben der Lage „Podere Il Fiore“ (5 Hektar) verwendet, die nicht mehr als 30.000 Liter pro Jahr liefern, in schlechteren Weinjahren, wird nur das beste Drittel verwendet. Der Brunello di Montalcino DOCG Riserva des Roten Labels kann als „typischer“ Brunello bezeichnet werden: intensiver, komplexer Körper, weit entwickelte Nase und famose Tannine. Möglicherweise zeigt er am besten, was ein Brunello der Fattoria dei Barbi in seinem tiefsten Grunde ist. Er altert fünf Jahre, davon drei im Eichenfass, bevor er in den Verkauf kommt. Der Rosso di Montalcino DOC hingegen ist ein perfekter Einstiegswein, wenn es darum geht, sich auf die „echten“ Brunellos vorzubereiten. Dieser Wein wird aus den gleichen Sangiovese-Trauben gemacht wie der Brunello di Montalcino, allerdings von noch jungen Weinreben. Was ihn von den anderen großen Brunellos unterscheidet, ist sein wenig oppulenter Körper und geringere Tannine. Dennoch ist der Rosso di Montalcino ein herrlich aromatischer und überaus eleganter Wein, der sofort getrunken warden kann.
Zwei Maremma-typsche Weine, der Morellino di Scansano DOCG (eine lokale Sangiovese-Varietät) und der Maremma Toscana DOC (eine Cuvée aus 50% Sangiovese) ergänzen hervorragend die angebotene Terroir-Varietät des Weinguts. Ihnen folgen zwei herausragende Chianti DOCG, die nach einer der ältesten toskanischen Vorschrift hergestellt werden. Sie werden seit 1817 in der Fattoria dei Barbi produziert.
Auf zwei besondere Weine sollte noch abschließend hingewiesen werden: der Weißen Vermentino de‘ Barbi IGT Toscana und der Visanto dei Barbi. Der erstgenannte ist ein hervorragend strukturierter, ein runder Weißwein aus 100% Vermentino-Trauben, während der zweite der eigentliche „vintage“ der Fattoria dei Barbi ist. Er ist der älteste Wein des Weinguts und wird nachweisbar ununterbrochen seit 1870 bis heute produziert. Die Familie Colombini hat wahrscheinlich die größte Sammlung der Welt.
Fattoria dei Barbi
Gründungsjahr: 1790 (Landbesitz und Weinanbau seit dem 14. Jh.)
Eigentümer: Stefano Cinelli Colombini
Jahresproduktion: ca. 700.000 Flaschen
Rebfläche: ca. 110 Hektar (beide Weingüter) im konventionellen Anbau
Notabene: Neben Weinen bietet die Fattoria Extra Vergine Olivenöl und reinsortige Grappe an. Das Weingut ist traditionell Besuchern gegenüber sehr offen und entgegenkommend eingestellt. Spezielle Führungen durch das historische Gemäuer mit Degustation werden für Privatpersonen genauso wie für (große) Gruppen angeboten. Empfehlenswert sind die unterschiedlichen Angebote, einen ganzen Tag mit Lunch oder Dinner auf dem Weingut zu verbringen. Die Taverna dei Barbi bietet davon unabhängig herrlich frisch und traditionell zubereitete Speisen aus der Toskana an. Daneben gibt es eine ganze Menge an Sonderveranstaltungen. Vielleicht ordern Sie auch ein Spezialmenü, das aus dem historischen Kochbuch der Cinelli Colombini Familie, das Elina Colombini 1899 geschrieben hat (nur mit Absprache). Und versäumen Sie nicht das informative Montalcino und Brunello Museum zu besuchen, das sich auf dem Weingut befindet. Übrigens, auf dem Weingut wird neben Italienisch und Englisch auch Französisch und Deutsch gesprochen. Für die regelmäßig wechselnden Events der Fattoria dei Barbi – wie bspw. die „Cooking-Competion“ der Seligen Panzanella oder „Wein unter den Sternen“ oder „Die Kork-Zeremonie“ – konsultieren Sie die Homepage des Unternehmens.