Tasca d'Almerita - Whitaker
Die Adelsfamilie Tasca sind echte sizilianische Patrioten, die die Kultur ihrer Heimat auf vielfältige Weise nicht nur unterstützen, sondern selbst ein wesentlicher Teil davon sind. Gut 200 Jahre aktiver Weinbau geht auf ihr Konto zurück. Mittlerweile betreibt die Familie Tasca unter ihrer Firmenbezeichnung „Tasca d'Almerita“ fünf sehr unterschiedliche Weingüter auf Sizilien beziehungsweise ihren benachbarten kleinen Inseln. Ihnen gemeinsam ist der Wunsch der Weinmacher nach authentischen, hochqualitativen Weinen, die nicht nur von Rebstöcken kommen, deren Wurzeln im besten Terrain stecken, sondern auch an bedeutsamen Orten Siziliens vinifiziert werden. Obwohl alle Weingüter der Tascas etwas ganz besonderes repräsentieren, schlägt „Tenuta Whitaker“ noch einmal aus der Reihe. Das Weingut liegt auf der winzigen, flachen Insel Mozia (eigentlich Isola di San Pantaleo) inmitten der Salinen im Westen von Sizilien. Schon alleine das ist eine Besonderheit, doch die Fondazione Whitaker möchte mehr. Sie betreibt zusammen mit den Önologen der Tascas ein wein-archäologisches Projekt zur Belebung der phönizischen Weintradition. Man darf zurecht gespannt sein, wie sich das Projekt weiterentwickelt.
Wo Phönizier ihren Insel-Wein tranken
Der Weinberg der „Tasca d'Almerita Fondazione Whitaker“ – im Folgenden der Kürze halber „Whitaker“ genannt – das ist die kleine Isola di San Pantaleo, auch gerne bei ihrem älteren Namen Isola di Mozia/Motya nach dem phönizischen Ort der Insel benannt. Sie liegt als vierte im Bunde der „Isole dello Stagnone di Marsala“ geschützt in der Lagune zwischen den Salzfeldern von Marsala und der langgestreckten Isola Grande, die ihrer kleinen Schwesterinsel Schutz vor den Stürmen des Mittelmeers gibt. Mozia ist heutzutage kaum ein Weiler mit 10 ständigen Bewohnern, der im Wesentlichen aus den Gebäuden der Fondazione Whitaker und natürlich aus den bedeutenden phönizischen Ruinen besteht. Mozia oder Motya war eine der wichtigsten Städte der Phönizier im Mittelmeer und wurde im 4. Jahrhundert v. Chr. von den Griechen zerstörten. Seitdem ist dieser Ort mehr oder minder ‚konserviert‘ und daher so überaus wichtig für die Wissenschaft. Die Insel Mozia und ihre phönizische Stadt Motya stehen auf der UNESCO-Liste der weltrelevanten Kulturgüter.
Bereits die Phönizier haben hier Reben kultiviert, doch eine neue Bepflanzung erfolgte im 19. Jahrhundert als die Briten den „Marsala-Wein“ für sich entdeckten. Seit 2011 bildet Mozia ihre eigene offiziell anerkannte Denomination, die Mozia Sicilia DOC. Die kleine Insel umgeben von Salzsalinen verfügt über einzigartiges maritimes Mikroklima mit vergleichsweise kühleren Tages- und wärmeren Nachttemperaturen und ökologische Einmaligkeit. Hier überlebten möglicherweise Exemplare die große Reblausplage, die woanders verheerend gewütet und historische Gewächse vernichtet hat. 12 Hektar sind mittlerweile mit der Grillo-Rebe auf der insgesamt circa 100 Hektar großen Insel bepflanzt. Woher die Grillo-Varietät ursprünglich stammt, ist nicht geklärt. Angenommen wird ihr Ursprung aus Apulien. Genetisch betrachtet ist die Grillo eine wahrscheinlich spontane Kreuzung aus der auf Sizilien und in Kalabrien häufig vorkommenden Varietät Catarratto Bianco und der Muscat d’Alexandrie, die von den Phöniziern nach Sizilien gebracht wurde und hier „Zibibbo“ heißt. Es wird angenommen, dass auf der Insel der erste Versuch nach der Reblausplage gestartet wurde, die „Ariddu“ (Frucht aus einem Samen), wie die Grillo im alten sizilianischen Dialekt zunächst hieß bevor sie italienisiert wurde, anzubauen.
Auch wenn nicht zertifiziert, so arbeiten die Winzer der Kooperation zwischen Whitaker und Tasca d’Almerita ökologisch. Die Reben wachsen in dem an heißes Klima bestens angepassten Gobelet-System, bei dem die Ranken der Reben „à la Marsalese“ beschnitten werden und so in mehreren hängenden Bögen wachsen. Auf diese Weise liefern sie sich selbst Schatten und bewässern sich auf natürliche Weise (Taubildung). Selbstverständlich werden die Grillo-Trauben händisch gelesen und in kleinen luftigen Körben gesammelt. Die Lese erfolgt in den frühen Morgenstunden, wenn die Trauben noch knackig und nicht durch die Sonne aufgeheizt sind.
Zwar gab es durchaus die Überlegung, die Trauben auf der Insel zu verarbeiten, doch der Bau eines Weinkellers musste aufgrund der antiken Stätte und ihrer zahlreichen Relikte aufgegeben werden. Nun stehen kleine flachgehende Boote nach der Ernte bereit, um die fragile Fracht ans Festland und auf die Kühllastwagen zu verladen, um dann auf dem schnellsten Wege in die Tenuta Regaleali – Hauptsitz der Tasca-Weingüter – zu bringen. Das ganze Prozedere muss möglichst schnell ablaufen, so dass die Trauben zeitnah gepresst und in temperaturkontrollierten Edelstahltanks bei relativ niedrigen Temperaturen langsam vergoren werden. Auf eine malolaktische Gärung wird verzichtet. Der Alterungsprozess von mindestens fünf Monaten geschieht auf eigenen Hefen in Edelstahltanks.
Wer steht hinter dem Projekt „Whitaker“ und Tasca?
Während man in Italien – und unter den Weinkennern sizilianischer Tropfen – die Familie Tasca Conti d’Almerita nicht extra vorstellen muss, ist Joseph Whitaker Jr., auch Giuseppe genannt, nur wenigen aus der Weinbranche geläufig. Kein Wunder, handelt es sich bei den Whitakers um eine britisch-sizilianische Familie, die zuletzt sich eher der Kunst, Archäologie, Ornithologie und dem Tierwohl verschrieben hat. Doch ihr großes Vermögen machten die Whitakers tatsächlich mit Wein. Die aus Yorkshire stammenden Joseph Whitaker und sein Onkel Benjamin Whitaker waren vermögende Weinhändler, die um das Jahr 1820 nach Marsala auswanderten und dort ein Weinimperium aufbauten. Übrigens circa 10 Jahre früher als die Tasca-Familie professionell in den Weinanbau einstieg. Whitakers Hauptexportgut waren sizilianische Dessertweine, die „Marsala-Weine“. Von dem Reichtum der Whitakers zeugt heute noch die Stadtvilla Malifitano in Palermo, die Joseph Isaac Spadafora Whitaker (Sohn von Joseph Whitaker) erbauen ließ. Der neoklassizistische, mit Jugendstilmotiven versetzte Bau besteht aus sagenhafter 1.000 Quadratmeter großen und mit Wandmalereien und luxuriösen Kunst- und Möbelstücken ausgestatteter Gesamtfläche. Die Villa war Schauplatz bedeutender Feste, bei denen sich Könige, Kaiser, berühmte Künstler wie Richard Wagner, aber auch Politiker vom Schlage eines Bonito Mussolini die Klinke in die Hand gaben. Dieses Prunkpalais ist heute Sitz der Fondazione Whitaker und kann besichtig werden.
Obwohl Joseph Whitaker Jr. das Imperium seines Vaters weiter ausbauen konnte, galt seine wahre Leidenschaft nicht dem Weingeschäft, sondern der Ornithologie und später der Archäologie. Sein Herz schlug auch für Tiere, so war er bemerkenswerterweise der Gründer und späterer Präsident der „Gesellschaft zur Verhinderung von Tierquälerei“, einer der frühsten Organisationen dieser Art überhaupt. Berühmt unter den Kennern der Materie ist Joseph Whitaker Jr. für seine Fachpublikationen zur Vogelwelt Tunesiens. Bereits in den 1880er Jahren begann er sich verstärkt dem Studium der sizilianischen Vögel zuzuwenden und konnte schließlich eine geradezu vollständige Sammlung in seinem Stadtpalais in Palermo präsentieren. An dieser Stelle kommt die kleine Insel vor den Toren Marsalas ins Spiel: Um sich der Beobachtung der sizilianischen Vogelwelt ungestört widmen zu können, kaufte er 1888 die Insel Mozia. Doch was er dort vorfand, waren nicht nur Vögel, sondern vor allem vielfältige antike Relikte der zerstörten phönizischen Stadt Mozia, die dokumentarisch zwar bekannt war, jedoch als verlorengegangen galt und im Grunde vergessen wurde. Diese Entdeckung weckte in Whitaker eine neue Passion für die Archäologie, der er bis zu seinem Ende zwar als Laie, aber doch im Rahmen des Möglichen professionell zu betreiben versuchte. Zusammen mit einigen Mitarbeitern begann er systematisch zu graben, Vorgefundenes zu restaurieren, architektonische Zusammenhänge zu rekonstruieren und Einzelstücke in den dafür erbauten Räumen auf der Insel auszustellen. Das Inselmuseum („Giuseppe Whitaker Museum“) hat weit über 1000 Exponate, darunter die berühmte Skulptur des sogenannten „Motya Charioteer“. Nach Josephs Tod im Jahr 1936 (in Rom) stieß seine älteste Tochter Delia zusammen mit der Accademia Nazionale dei Lincei das Projekt einer Stiftung „Fondazione Joseph Whitaker“ an, die dann 1975 als gemeinnützige Kulturstiftung mit Schwerpunkt auf phönizische Geschichte Siziliens staatlich anerkannt wurde. Die Stiftung erwarb die vorgelagerte große Insel Isola Grande und kümmert sich um fortwährende Ausgrabungen – mit zum Teil sensationellen Entdeckungen – sowie Rekonstruktionen auf der Insel Mozia, und ist darum bemüht, im Namen des Gründers das einmalige Erbe der Phönizier zu erhalten. Dazu gehört auch die Kultur des Weinanbaus, der auf der Insel offenbar bis ins späte 19. Jahrhundert hinein, womöglich sogar ununterbrochen, betrieben wurde. Als Joseph Whitaker die Insel aufkaufte, fand er hier einige Weinfelder vor, die nicht mehr bewirtschaftet waren. 2007 ist die Fondazione Whitaker an die Winzerdynastie der Conti Tasca herangetreten, um zusammen das Weinrebenerbe auf der Insel wiederzubeleben und den „Vino dei Fenici“ erneut zu schaffen.
Anders als die Weinhändler Whitaker ist die Adelsfamilie Tasca seit über 200 Jahren aktiv im Weinherstellungsgeschäft tätig. Die Tenuta di Regaleali ist das erste Weingut, das die Brüder Lucio und Carmelo Mastrogiovanni Tasca 1830 erworben haben und mit den damals modernsten Technologien ausstatteten. Bis heute ist die Tenuta di Regaleali das Hauptweingut der Winzerfamilie. Die Tascas gehören zu jenen wenigen Winzerunternehmern, die bereits weit vor der ‚Entdeckerwelle‘ der sizilianischen Weine auf Qualität setzten und von dem großen Potential der Inselweine überzeugt waren. Die Conti d’Almerita werden gerne als die „Botschafter Siziliens“ bezeichnet. Das trifft sicherlich auch auf ihre Weine zu, deren Qualität schon bekannt war, als Sizilien noch von Königen regiert wurde. Heutzutage setzen die Conti auf Nachhaltigkeit und Projekte, die verstärkt autochthone Trauben und besondere Weingüter fördern. Dazu gehören Programme wie „VIVA“ und „SOStain“, die den Naturschutz unterstützen und gleichzeitig eine ökologische Weinbereitung auf Sizilien vorantreiben.
Es wäre fast schon ein Wunder, wenn sich die Familien Whitaker und Tasca im Laufe der Jahrhunderte zwischen Palermo und Marsala nicht begegnet wären. Und tatsächlich bezeugt die Gästeliste von Joseph „Pip“ Whitaker, dass er in der frühen 1900er Jahren mehrfach Ottavio und Paolo Tasca d’Almerita zu Besuch hatte. Diese Freundschaft wird im Joint-Venture-Projekt „Fondatione Whitaker“, einer der interessanten Kooperationen zwischen Kultur und Natur, das Sizilien zu bieten hat, im übertragenen Sinne fortgesetzt.
Knapper geht’s nimmer: Das Portfolio von „Whitaker“
Das Portfolio der Fondazione Whitaker besteht aus einem einzigen Wein: dem „Grillo Mozia“ Sicilia DOC, einem goldgelben Weißen, der zum Träumen einlädt. Man sagt zurecht, in der Flasche steckt das südliche Mittelmeer: Die Aromen nach Zitrusfrüchten, vor allem Zitronen, werden von würzige Ginsterdüfte und Anis begleitet. Das i-Tüpfelchen stellt jedoch das Salzige und Pfeffrige des grünlich schimmernden Mozia-Weins dar und bringt die Salinenlage der Insel ins Gedächtnis beziehungsweise auf den Gaumen. „Grillo Mozia“ ist ein frischer, trockener Wein mit gut komponierter, „smoother“ Struktur. Überraschend lang ist der Abgang, der nichts von den ersten Eindrücken einbüßt. Das Robert-Parker-Team gibt dem Wein regelmäßig zwischen 90 und 92+ Punkte und WineEnthusiast bewertet den Jahrgang 2019 mit 93 Punkten. Dazu schreibt die Weinexpertin Kerin O’Keefe: “Aromas of white spring flowers, Mediterranean brush, citrus and tropical fruit waft out of the glass. On the tangy, totally delicious palate, bright acidity and a saline mineral vein accompany ripe honeydew, juicy orange slice, wild herb and a hint of white almond.”
Fondazione Whitaker
Gründungsjahr: 2007
Eigentümer: Familie Conti Tasca d'Almerita und Fondazione Whitaker
Önologen: Laura Orsi
Jahresproduktion: ca. 45.000 Flaschen
Rebfläche: ca. 12 Hektar in ökologischem Anbau
Notabene: Der Besuch der phönizischen Insel ist ein Muss für alle, die Sinn für das Außergewöhnliche haben. Mozia ist eine echte Genießer-Insel: Genuss von Wein und Olivenöl (den die uralten Olivenbäume ermöglichen), Genuss der Kunst im Museum und ehemaligen Wohnräumen von Joseph Whitaker, Genuss der ungewöhnlichen Ausgrabungsstätte und der kleinen Weinberge. Das alles ergibt zusammengenommen ein kompaktes, unvergessliches Paket. Für Degustation und Führung ist eine Voranmeldung unerlässlich (online). Schiffe bringen Sie vom Festland nach Mozia. Im Schatten der antiken Relikte ein oder mehr Gässchen des „salzigen“ Weins zu genießen und im Café des Museums eine Kleinigkeit zu essen, sind beste Vorlagen für Tagträumereien…