Gaja Pieve Santa Restituta
Die nach der auf dem Weingut sich befindenden Kirche benannte Tenuta Pieve Santa Restituta liegt im Südwesten von Montalcino und ist das kleinste Projekt des berühmten Winzers, in das er sehr viel Kapital und Knowhow reingesteckt hat. Obwohl das Weinland selbst Hunderte von Jahren alt ist, sind die Lagen der Pieve erst am Anfang des Millenniums neu bestockt worden. Die Ergebnisse sind drei Sorten des „Brunello di Montalcino“ DOCG, die sich allesamt sehen lassen können. Vater und Tochter Gaja präsentieren hier tiefgründige, fruchtige Rotweine geboren aus dem Terroir der Gegend, die nicht nur unter Beweis stellen, wie vielseitig Toskana ist. Sie zeigen auch die überragende Könnerschaft des Weingurus, der zwar eine umstrittene Persönlichkeit ist, aber kaum in seinen winzerischen Fähigkeiten zu übertreffen. Die Tenuta Pieve Santa Restituta ist des Piemontesers erste toskanische Errungenschaft. Hier hat er unter Beweis gestellt, dass er fast aus dem Stand heraus cremige, fruchtige, gleichwohl komplexe und mit herausragend eingebundenen Tanninen und Säuren ausgestattete Brunello-di-Montalcino-Weine herstellen kann.
Weg mit den Internationalen – zurück zu den Ursprüngen
Pieve Santa Restituta ist mit ihren 16 Hektar Rebfläche das kleinste Weinunternehmen des Angelo Gaja. Der Ausspruch „kleine aber fein“ passt kaum woanders besser als auf diesen Weinbetrieb. Die erste Amtshandlung nach der Übernahme des Weinguts war die Rekultivierung der Weinberge sowie die Umstrukturierung des teils unterirdisch angelegten Weinkellers. Zu den großen Entscheidungen zählt die Entfernung der Rebsorte Cabernet Sauvignon aus den Weinbergen. Die ca. 25 Hektar großen Weinareale, die sich auf insgesamt drei Lagen verteilen, wurden anschließend mit der regionalen Sorte Sangiovese, und zwar erheblich dichter bestockt. Die nährstoffarmen, teils steinigen Ton-Kalkstein-Sand-Böden, schlecht für extensive Agrarbewirtschaftung, sind hingegen außerordentlich gut für diese Rebsorte. Die bedeutendsten Lagen der Tenuta sind Sugarille und Rennina auf 320 bis 350 m. ü. M., die insgesamt 16 Hektar belegen. Sie liegen in Süd- und Südwestausrichtung in der Appellation Brunello di Montalcino im Süden von Montalcino. Sie gehören zu einer tendenziell „windigen Ecke“, das heißt, sie verfügen über ausreichend Belüftung, um einerseits die intensive Sonneneinstrahlung auszugleichen und die Reifung zu verlangsamen, was zu knackigeren, frischeren Trauben führt. Andererseits verhilft der Wind dazu, die Feuchtigkeit der Wintermonate zu vertreiben und die Wurzeln gesund zu halten. Strenggenommen ist Rennina keine Einzellage, sondern besteht aus drei Parzellen – Santo Pietro, Castagno Vecchio, Pian dei Cerri –, die relativ eng beieinander liegen und ein ähnliches Terroir vertreten. Ein späterer Zukauf ist die 9 Hektar große Deserti-Lage im Westen von Torrenieri (nordöstlicher Bereich von Montalcino). Während in Sugarille und Rennina die Böden aus Ton-Kalk-Gemisch bestehen, ist das Erdreich von Torrenieri eine Mixtur aus Lehm, Tuff und Sand. Hier werden die Trauben für den „Brunello di Montalcino“ Wein gelesen.
Was macht Gaja anders als seine vielen Kollegen? Zunächst ist er ein Qualitätsfanatiker, wenn es um die Trauben geht. Nur die gesündesten, nur die besten, nur die „reinsten“ werden weiterverarbeitet. Das führte beispielsweise dazu, dass er die seiner Meinung nach schlechten Lesen der Jahrgänge 2002 und 2003 – teils verregnete, teils sehr heiße Jahre – komplett verkaufte und keinen Wein produzierte. Auch schlechte Teillesen werden grundsätzlich in loser Schüttung verkauft. So entstand in den Jahren 2009, 2012 und 2014 kein Wein aus den Lagen Sugarille und Rennina. Ein grundsätzliches Nein geht auch an eine mögliche Riserva-Produktion. Gaja will tanninstarke aber gleichzeitig frische Weine produzieren, die das Terroir wiedergeben, ohne altmodisch zu wirken. Dazu gehört eben keine lange Reifung im Holzfass, die die Riservas vertreten, und mit der immer mehr Holztannine in den Wein gelangen, was wiederum den Terroirgeschmack verdrängen kann. Angelo und seine Tochter Gaia, die sich als Önologin des Weinguts betätigt, verweisen auch auf die globale Erderwärmung und die schnellere Reifung der Trauben, die gleichzeitig mehr Alkohol produzieren und daher noch mehr Tannine erzeugen würden. Radikal ist der Winzer auch in der Entscheidung, welche Weine das jeweilige Terroir fähig ist zu tragen, und welche lieber woanders produziert werden sollten. Auf der Pieve Santa Restituta wird beispielsweise kein Rosso di Montalcino hergestellt. Der sogenannte „Baby Brunello“ fällt Gajas Meinung nach hier zu „minderwertig“ aus, was dann wiederum dem Ansehen dieses Weins schaden würde.
Angelo Gaja ist ein Winzer mit Leib und Seele, ein Getriebener, der wenig auf Vorschriften und Reglementierungen setzt. Er allein weiß, was seinen Weinen guttut und will sich dabei nichts vorschreiben lassen. Früh hat er erkannt, dass die einseitige Bestockung des Landes mit Weinreben zu einer Zerstörung der Vielfalt in der Natur, zu schwachen Reben und damit zu einem Teufelskreis in der Vernichtung der eigenen Ressourcen führt. Als erster hat er angefangen seine Weingüter in Langhe mit Zypressen zu bepflanzen, um so die natürliche Diversität zu erhöhen, Insekten anzulocken und damit auch wieder mehr Vögel anzusiedeln. In Pieve Santa Restituta wird von Anfang an darauf geachtet, dass die Natur nicht zu kurz kommt. Für diesen Standort entschied Gaja, keinen neuen Keller zu bauen, sondern ihn in die bestehenden Bauten so zu integrieren, dass er den modernen Anforderungen gerecht wird und gleichzeitig die Umwelt nicht zusätzlich belastet. Entstanden sind auf diese Weise dennoch topmoderne, mit hochqualitativer Vinifizierungstechnik belegte 4.000 Quadratmeter Weinkeller.
Gajas Vinifizierungsmethoden werden als klassisch bezeichnet, was unter anderem die Verwendung von großen Holzfässer bedeutet. Die Trauben werden je nach Lagen verarbeitet, das heißt, sie gären und mazerieren getrennt. Im Durchschnitt ist diese Prozedur in drei Wochen abgeschlossen. Je nach Sorte erfolgt die Reifung über 24 Monate in großen Eichenholzfässern oder 12 Monate in Barriques. Anschließend wird, abgesehen von dem Einzellagenwein, die Assemblage vorgenommen, gefolgt von einer weiteren Reifungszeit von sechs bis 12 Monaten in Betonfässern oder großen Holzfässern vorgenommen. Bei den Weinkreationen liegt das Augenmerk auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen komplexen Tanninen und frischer Säure.
Von einer alten Pfarrkirche zum Weingut
Die Tenuta Pieve Santa Restituta war bis zu ihrem Verkauf ein alter Landsitz mit landwirtschaftlicher Mehrzwecknutzung und einer Kirche im Zentrum. Das Land wurde früher von sogenannten „mezzadri“ bewirtschaftet, Pachtbauern, und gehörte dem Klerus. Da die Qualität der Böden nicht viele Möglichkeiten der Landwirtschaft boten, wurden sie relativ früh aufgegeben und lagen lange Jahre brach. 1972 kaufte der aus Brescia, Lombardei, stammende Bauunternehmer Roberto Bellini zusammen mit seiner Ehefrau Franca das Anwesen mit dem Vorhaben, daraus ein renommiertes Weingut mit Qualitätsweinen zu machen. Das Anwesen gehörte bis dem Kauf dem Klerus. Auf diesem ehemaligen Pachtland errichtete die Familie Bellini mehrere Weinberge sowie eine auf dem neusten Technikstand stehende Weinproduktionsanlage. Das Weingut bekam den Namen „La Chiesa di Santa Restituta“, das später in „Pieve Santa Restituta“ – Pfarrkirche der Heiligen Restituta (Märtyrerin aus Karthago) – umbenannt wurde. Ihre Weinproduktion ließ sich sehen und wurde von der Fachwelt sehr wohlwollend wahrgenommen. 1994 entschied sich das Paar, das Projekt nicht mehr alleine zu verfolgen und holte keinen geringeren als den legendären Angelo Gaja als Teilhaber mit dazu, der wenig später das Anwesen vollständig übernahm.
Das alte Landgut hat eine interessante Geschichte und besteht aus mehreren antiken Gebäudekomplexen, zu denen auch die Santa Restituta gehört. Das heutige Erscheinungsbild der Pfarrkirche geht auf das 12. Jahrhundert zurück, deren Fundamente stammen jedoch aus der Zeit um 400 n. Chr. Damit gehört sie zu den ältesten Kirchen Italiens und stellt ein klassisches Beispiel romanischer Architektur dar. Um dieses kleine kunsthistorische Juwel zu erhalten, wurden von der Familie Gaja fachmännische Restaurierungsarbeiten in Auftrag gegeben. Aus den Analen der Kirchendokumente geht hervor, dass auf dem dazugehörigen Land bereits 1312 Rotwein produziert wurde, der unter den Abgabegütern für den der Diözese vorstehenden Bischof von Arezzo auftaucht.
Angelo Gaja, auch als der „König des Barbarescos“ betitelt, ist mit seinem 153-Hektar-mächtigen Hauptweingut seit 1994 im Piemont, in der Barbaresco-Zone, beheimatet, wo er beinahe schon sagenumwobene Barbarescos, vor allem Barolos, aber auch Nebbiolo-, Barbera- und Dolcetto-Weine und nicht zuletzt die sogenannten „Super Tuscans“ erzeugt. Als Winzer und Mensch ist er für viele gelinde gesagt ein unruhiger Zeitgenosse, den einige aber auch als „unruhiges Genie“ bezeichnen. Unumstritten sind seine winzerischen Fähigkeiten, sein Mut zur Avantgarde und sein Gespür für die richtigen Entscheidungen, die ihn nicht nur zum berühmtesten Winzer Italiens, sondern auch zu einem weltweit anerkannten Weinguru machen. Die Pieve Santa Restituta bewirtschaftet Angelo zusammen mit seiner Tochter Gaia Gaja, die sich hier als Önologin betätig.
Das Portfolio der Pieve Santa Restituta
Die Auswahl der auf der Pueve Santa Restituta produzierten Weine ist mit nur drei Sorten sehr klein, gleichwohl erstklassig und angesichts der Qualität erstaunlich gut gepreist. Die Tenuta etikettiert zurzeit zwei Einzellagenweine, „Sugarille“ Brunello di Montalcino DOCG und „Rennina“ Brunello di Montalcino DOCG. Genaugenommen ist der letztgenannte eine Cuvée aus drei kleinen beieinander liegenden Weinberglesen. Gaja stellte die beiden Lagenweine erstmals 1995 beziehungsweise 1994 her. Das Portfolio komplettiert der sogenannte Basiswein „Brunello di Montalcino“ DOCG, der zum ersten Mal 2005 hergestellt wurde. Je nach Jahrgang dominieren bei ihm Aromen von Waldbeeren, reifen aber knackigen Kirschen und Pflaumen, die durch schöne Überraschungen wie jenen Düften nach Waldboden, Rauch, würzigen Kräutern der toskanischen Macchia, aber auch Lakritze, Menthol oder Tabak ergänzt werden. Der Pieve Santa Restituta Brunello di Montalcino DOCG ist ein samtiger Wein, der im Vergleich zu seinen Nebenbuhlern weniger Tannine und daher mehr reinen Sangiovese-Körper hat. Hervorragend gemacht, zeichnet er sich durch subtile Übergänge aus, die von klassischer roter Beerenfrucht zu leichten Blumen führen. Der Pieve Santa Restituta Brunello di Montalcino „Rennina“ ist ein tannindominanter, tiefenstrukturierter Brunello von erdigen Anklängen und viel Fruchtkörper. Im Vergleich zu ihm ist der Lagenwein „Sugarille“ leichter in den Tanninen, fragiler und floraler. Es ist eigentlich überflüssig zu sagen, dass diese Weine sich durch ein hervorragendes Alterungspotential auszeichnen.
Alle drei Weine der Tenuta Pieve Santa Restituta halten eine enorm interessante Spannung zwischen feinen Tanninen und fruchtbetonter Frische aufrecht. Sie bilden ein Konglomerat aus Fleichlichkeit und Komplexität, bei dem nur wenige andere Weine der Region mithalten können. Ihre Fülle entfalten sie allmählich am Gaumen und zeigen „Power“ im samtigen Gesamterlebnis und langem Finish. Kurzgesagt: Im Sortiment von Pieve Santa Restituta treffen Sie auf eine überaus exquisite Weinwelt von Gaja! Die Auszeichnungen der Fachwelt lassen nicht lange auf sich warten. James Suckling und Robert Parker urteilen zwischen 93+ bis 96 Punkten, GAMBERO ROSSO verteilt gerne 3 Weingläser und Bibenda gibt 4 bis 5 Weintrauben.
Gaja Pieve Santa Restituta
Gründungsjahr: 1972
Eigentümer: Angelo Gaja
Önologe: Angelo und Gaia Gaja
Jahresproduktion: ca. 45.000 Flaschen
Rebfläche: ca. 25 Hektar in konventionellem Anbau
Notabene: Wie immer im Weinunternehmen GAJA übt sich auch diese Tenuta im Understatement und enttäuscht durch ihre de facto nicht vorhandene Internetpräsentation. Interessierte, die die Tenuta-Seite im Internet besuchen, werden ausschließlich eine schlichte Namensseite ohne weitere Informationen vorfinden. Wer diese historisch interessante Tenuta besichtigen und in den Genuss einer Degustation kommen möchte, der sollte sich vorher anmelden.