Giacomo Conterno
Eine Portion Sturheit, Ausdauer, Glück und die richtige Vision gehören auch dazu, um einen der raren 100-Punkt-Weine zu keltern, den „Monfortino“ von 2004. Ein Wermutstropfen dabei ist: Der Monfertino wird in so kleinen Chargen produziert, dass er kaum – und dann auch kaum unter 300,- Euro die rare Flasche zu bekommen ist. Das ist sehr viel Geld, doch ein echter Weinconnaisseur sollte einen Weg finden, einmal in seinem Leben diesen Tropfen zu kosten, um zu erfahren, was ein echter traditioneller Barolo ist: ein majestätischer Koloss, stark, durchstrukturiert, reich, komplex und für die Ewigkeit gemacht.
Tenuta Giacomo Conterno und der Traditionalismus
Die Tenuta Giacomo Conterno ist ein kleines, mittlerweile circa 19 Hektar umfassendes Weingut, das sich glücklich schätzen darf, eine der allerbesten Lagen in Montforte zu besitzen: die sagenhafte Cascina Francia (16 Hektar). Sie befindet sich zwischen Serralunga und Roddino, gleich unterhalb des luxuriösen Hotels „Il Boscaretto“. Eine neue, 2009 erworbene Lage ist die drei Hektar große Cerretta in Serralunga d‘Alba. Das Weingut kultiviert ausschließlich Barbera- und Nebbiolo-Reben, die den Grundstoff für die berühmten Barolo der Conternos liefern. Doch verwechseln Sie nicht die Weine der Tenuta Giacomo Conterno mit den Weinen seines Bruders Aldo Conterno, der sich unweit der alten Tenuta selbstverständlich gemacht hat.
Auf dem Weingut wird bis heute ausschließlich traditionell gearbeitet, doch das heißt nicht, dass man der Technologie abschwört. Strenge, ja eigentlich die strengste Traubenselektion auf der einen Seite und konsequent durchgesetzte, überaus hohe Qualitätsmaßstäbe bei der Vinifizierung auf der anderen Seite fundamentieren das Geheimnis der legendären Conterno-Weine. Bis heute verzichten die seit Generationen konservativ arbeitenden Gutsbesitzer auf eine Beschleunigung der Weinherstellung. Hier dauert die Maischefermentation lang (bis zu 40 Tage oder länger), die Temperaturkontrolle ist erst spät eingeführt worden – bei dem Monfortino-Wein immer noch verpönt –, auf Filtration wird verzichtet, und Barriques finden Sie hier nirgends. Ausgebaut werden die drei auf der Tenuta produzierten Weinsorten in großen Eichenfässern von bis zu 100 Hektoliter Fassungsvermögen, den sogenannten „botti“. Sie lagern darin zwischen sieben und zehn Jahren, die jüngsten Jahrgänge (ab 2019) sind also jene von 2009, 2010 und 2012. In den Jahren 1984 und 1986 hat die Tenuta auf Weinproduktion gänzlich verzichtet, dagegen war der ansonsten unter Winzern als miserabel eingestufte, da verregnet und verhagelt, Jahrgang 2002 für die Tenuta Giacomo Conterno ganz hervorragend.
Der Weinkeller der Tenuta protzt nicht. Er ist in den 1980er Jahren und erneut 2015 renoviert, modernisiert und ausgebaut worden, wobei ausschließlich auf Funktionalität und großzügigen Arbeitsraum gesetzt wurde. Die Erneuerung der botti in 2015 hat Roberto Conterno nur unter innerem Protest und aus der schieren Notwendigkeit heraus vorgenommen, da die Fässer angefangen haben, undicht zu werden. In seinem Weinkeller dürfen Sie keine chice Selbstrepräsentation erwarten, denn bei den Conternos dreht sich alles um die auf den Punkt gebrachte Qualität des Weins und diese ist nicht mit der Raumausstattung zu gewinnen. Stahltanks, und mit ihnen die Temperaturkontrolle, um die Vinifizierung zu präzisieren, kamen erst 1985 dazu. Doch die Fermentation für den „Monfotino“ wird weiterhin in großen Holzbottichen vorgenommen. Das Team im Weinkeller kommt nur mit Roberto Conterno und zwei Angestellten aus. Der Barolo, den die Conternos seit 1912 beziehungsweise 1920 herstellen, ist nicht nur ein preisgekrönter, mit den begehrten 100 Punkten von Parker und Co versehener Wein – er ist vor allem der Prototyp, der die „klassische Linie“ dieser Weine überhaupt begründete.
Von Kompromisslosigkeit geprägt: die Geschichte der Tenuta Giacomo Conterno
Die Geschichte der unter Weinkennern berühmten Tenuta beginnt mit einem unklaren Gründungsjahr – auch wenn viele dafür das Jahr 1920 nehmen. Der Beginn liegt irgendwo in den 1910er Jahren. Die historischen Wurzeln der Tenuta reichen aber weit in das 19. Jahrhundert zurück, wobei die Familie der Conternos seit dem 18. Jahrhundert als Winzer in dieser Region nachweisbar ist. Die heute als „Giacomo Conterno“ bekannte Azienda beginnt in der Zeit, als Giovanni Conterno seine Familie aus dem einst gelobten Auswandererland Argentinien wieder zurück in den Piemont, in das alte Wein- und Agrargut seines Vaters Giuseppe Conterno führt. Giovanni hatte neben dem Gut seines Vaters auch eine Taverne in San Giuseppe – und darüber hinaus ein gutes Gespür für das Keltern. Mit seinen Weinen, die er in der Taverne verkaufte, erreichte er schnell einen Bekanntheitsgrad, der ihn ermunterte, mit dem Barolo von 1920 seinen ersten Jahrgangswein herauszubringen (andere Quellen sprechen von 1912). Er setzte als erster auf die Langlebigkeit und das Alterungspotenzial der regionalen Weine, die bis dahin in Fässern oder im Demijohn Ballons für schnelle Vinifizierung und noch schnelleren Konsum gedacht waren.
Aus seinem ersten in Flaschen abgefüllten Barolo 1920 wurde das, was heute allgemein als „klassisch“ bezeichnet wird. Seinen Nachfolger finden Sie im Monfortino, dem Flaggschiff der Tenuta. Giovanni Conterno betätigte sich bereits früh am Export seiner Fassweine nach Südamerika, wo teil seiner Verwandtschaft lebte. Rückblickend betrachtet liegt Giovannis Verdienst nicht nur im ersten Barolo Riserva als solchen, sondern auch in der Tatsache seiner Flaschenabfüllung begründet.
Nach seinem Tod 1934 übernahm sein Sohn Giacomo die Leitung des Weinguts, das er stetig zu verbessern suchte, die Weine verfeinerte und neue Qualitätsmaßstäbe in der Weinherstellung setzte. Als 1961 Giacomo Conterno wiederum das Unternehmen an seine beiden Söhne Giovanni und Aldo übergab, war das Weingut bereits auf bestem Wege, in die oberste Liga aufzusteigen. Doch den alles entscheidenden Schliff verdankt die Tenuta Giovanni Conterno, der bis 1969 das Weingut mit seinem aus den USA zurückgekehrten Bruder leitete. Unstimmigkeiten und differente Vorstellungen in Bezug auf die Weinherstellung führten zur Trennung der Brüder. Seitdem ist Aldo der Besitzer des nicht allzu weit entfernten Weinguts „Poderi Aldo Conterno“ und gleicherweise Hersteller von Barolo-Weinen.
Giovanni Conterno hat aus dem einst gemischt produzierenden Bauernhof seines Großvaters und dem ersten richtigen Weingut seines Vaters in über fünfzigjähriger Arbeit ein Spitzenweingut von weltweitem Renommee geschaffen. Man könnte sagen, dass der Durchbruch in den 1970er Jahren begann, als Giovanni auf den bisherigen Dazukauf von Traubenmaterial verzichtete und die Top-Lage Cascina Francia 1974 kaufte. Von 1940 bis in die 1970er Jahre hinein war es für die Conternos selbstverständlich, für ihre Barolos Trauben von unabhängig arbeitenden Weinbauern aufzukaufen, die auf kleinen Parzellen in traditioneller Weise kultivierten. Seit den 1970er Jahren begannen die Weinbauern selbst Winzer zu werden. Sie bestellten immer mehr Land und brauchten die Trauben für ihre eigenen Weinkreationen. Giovanni Conterno arbeitete als Winzer bis zu seinem Tode im Jahr 2004 mit kompromissloser Hingabe an traditionellen Ausbaumethoden und allerhöchsten Maßstäben, an denen er selbst mitwirkte. Sein Sohn, Roberto Conterno, der akteull die Tenuta leitet, ist ganz in der Weinphilosophie des Vaters aufgewachsen und kann im besten Sinne des Wortes als „Traditionalist“ bezeichnet werden. Zum zweiten Mal in der Geschichte der Tenuta ergänzte Roberto im Jahr 2008 das Weingut um die drei Hektar umfassende Parzelle Ceretta, eine Cru-Lage der Serralunga, auf der Nebbiolo d‘Alba und Barbera d‘Alba gedeihen. Demnächst sollen aus diesen Trauben auch Barolo entstehen.
Ein Portfolio ausschließlich aus „Schwergewichten“
Das Portfolio der Tenuta Giacomo Conterno ist konsequent übersichtlich. Hier macht man allen anderen Winzern vor, dass es nicht viel bedarf, um sagenhaft gut zu sein. Mut gehört sicherlich dazu, sich auf nur drei Weinsorten zu verlassen, wie da wären: eine „Barbera d’Alba DOC Cascina Francia“, ein „Barolo DOCG Cascina Francia“ (Lagen-Barolo) und ein „Monfortino Barolo Riserva DOCG“. Sowohl der ‚normale‘ Barolo Cascina Francia als auch der Riserva-Barolo „Monfortino“ zeichnen sich aus durch ihre unglaubliche Langlebigkeit von 20 bis 40 Jahren – manche meinen sogar noch länger. Die „Monfortinos“ – das sind die Kronjuwelen der Tenuta, die nur in den besten Erntejahren und aus ihren besten Trauben produziert wird. Der Monfortino gärt als einziger der Conterno-Weine bei relativ hohen Temperaturen in Holzbottichen und darf im Durchschnitt drei Jahre länger altern als sein „kleinerer Bruder“. Auf diese Weise entstehen äußerst konzertierte, voluminöse und komplexe Weine, die viel Zeit vertragen und mit ihr immer besser werden. Conternos Weine erfordern Geduld, Geduld und nochmals Geduld. Ohne diese Tugend laufen Sie Gefahr, nie zu erfahren, was ein echter Barolo Classico ist. Die Monfortino-Weinproduktion beläuft sich auf circa 8.000 Flaschen auf das Jahr umgerechnet… Hier heißt es ganz eindeutig: Wenn man kann, schnell zugreifen. Der Barolo von der Lage Cascina Francia, der kaum hinlänglich mit der Bezeichnung „Standardqualität“ umschrieben wird, kommt auf circa das doppelte der Produktionsmenge, was auch nicht gerade viel ist, und daher gleichfalls seinen Preis hat.
Tenuta Giacomo Conterno
Gründungsjahr: ca. 1900 (oder früher)
Eigentümer: Roberto Conterno
Önologe: Roberto Conterno
Jahresproduktion: ca. 50.000 Flaschen
Rebfläche: 19 Hektar in konventionellem Anbau
Notabene: Das Weingut Giacomo Conterno ist ausschließlich nach Vereinbarung zu besuchen. Es ergibt keinen Sinn, sich hier durchmogeln zu wollen. Die regulären Besucher kommen dagegen in den Genuss, vom Meister persönlich und im besten Englisch geführt und verköstigt zu werden. Es gibt keinen Weinverkauf vor Ort. Lange Zeit hatte – unbegreiflicher Weise – die Tenuta große Probleme mit der Etikettierung der Flaschenhälse gehabt (bzw. hat es noch immer), die den Jahrgang des Weins bezeichnen. Der Klebstoff hält nicht, die Etiketten fallen ab. Das ist der Grund, warum der Jahrgang ab 2000 auf dem Hauptetikett mit aufgedruckt wird.