San Guido
Dafür sorgte Marchese Mario Incisa della Rocchetta, der Begründer der Tenuta San Guido, der in den 1960er Jahren zusammen mit Giacomo Tachis, dem besten Önologen damaliger Zeit, einen Kultwein von Weltruhm schuf: den unnachahmlichen Sassicaia!
Tenuta San Guido: die Schmiede des Supertoskaners
Marchese Nicolò Incisa della Rocchetta, der heutige Winzer und Sohn des legendären Marchese Mario Incisa, weiß sehr wohl, wie man Kultweine pflegt, hegt und gut vermarktet. Diese Aufgabe teilt es sich seit 2013 mit seiner Tochter, der studierten Kunsthistorikern Priscilla Incisa.
Die Tenuta San Guido steht gerade für einen der besten Weine der Welt, der etwas geradezu Unmögliches schuf, nämlich seinen eigenen DOC. Die Rede ist von Sassicaia, einem tiefen Roten aus den Trauben der französischen Rebsorten Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc. Das Anbaugebiet liegt direkt unterhalb der familieneigenen Burg Castiglioncello. Es ist ein steiniger Hügel, der nicht nur einen besonderen Terroir liefert, sondern auch den Namen für den Wein, denn „sassi“ bedeutet auf Italienisch „Steine“.
Da es in Italien nicht erlaubt war, die Qualitätsweinauszeichnung DOC an Weine aus französischen Trauben zu vergeben, musste der Sassicaia, zunächst als Vino da tavola (Tafelwein) gehandelt werden. 1994 geschah das Weinwunder und der Sassicaia bekam das einmalige Privileg, ein eigenes DOC zu bilden. Seit 2013 darf auch der Bolgheri Sassicaia ein DOC sein.
Der Ursprungswein von 1968 ist heutzutage eine absolute Rarität und Robert Parker macht aus ihm einen der weltweit raren 100-Punkte-Weine. Diese Auszeichnung vergibt er auch an den 1985 Jahrgang, obwohl dem Sassicaia 1985 eine mäßige Qualität der Verkorkung übel mitspielt. In den 1990er Jahren hatte der Wein einen kleinen ‚Qualitätseinbruch‘ und wurde von Parker mit 97 Punkten bewertet.
Heutzutage muss der Sassicaia DOC mindestens aus 80% Cabernet Sauvignon und höchstens 20% einer andern roten Traube, die in der Toskana zugelassen ist, hergestellt sein. Oft kopiert – nie in der Qualität erreicht, ist der Sassicaia des Hauses San Guido ein unvergleichlicher Weltklassewein und der Supertoskaner der ersten Stunde. Diese Auszeichnung kreierte der amerikanische Weinjournalismus, um jene Weltklasseweine der Toskana auszuzeichnen, die trotz ihrer einmaligen Qualität keine Qualitätsbezeichnung führen durften.
Alles eine Frage des aristokratischen Geschmacks
Als der Marchese Mario Incisa della Rocchetta in den 1940er Jahren gemeinsam mit seiner Frau Marchesa Clarice della Gherardesca auf das Gut Castiglioncello übersiedelt, war er schon lange von einer typisch aristokratischen Idee getrieben: Er wollten seinen eigenen Bordeaux-Wein in Italien keltern.
1942 fällt die folgenschwere Entscheidung: Marchese Mario Incisa lässt Cabernet-Setzlinge, die er von den Herzögen Salviati aus Migliarino bei Pisa bekommt, auf seinem Hügel gleich neben der Burg einpflanzen. Seine visionäre Idee basierte auf der Einsicht, dass der Terroir seines Weinbergs ähnlich dem Terrain des Graves in Bordeaux ist – beide sind unter anderem steinig (grave für „Kies“).
Die ersten Weine von 1948 enttäuschten jedoch die Erwartungen. So blieben die Weinjahrgänge bis 1967 private Hausweine, getrunken zu Hause und bei Freunden. Mit den Jahren reifte der Wein in den gelagerten Flaschen nach und dem Marchese wurde bewusst, dass sein Wein eines entsprechend langen Reifungsprozesses bedarf, um sich voll zu entwickeln. Als sein Neffe und berühmte Weinunternehmer Marchese Piero Antinori schließlich davon probiert, kann er Mario Incisa überzeugen, den gereiften Wein kommerziell zu vermarkten.
Und so kommt es, dass der erste Jahrgang 1968 mit 4.000 Flaschen mithilfe des Unternehmens Antinori in den Handel kommt. Für die Weinkreation zeichnen sich der Marchese Mario und Giacomo Tachis verantwortlich, jener begnadete Önologe des Hauses Antinori, der fast zeitgleich den zweiten Supertoskaner Tignanello für den Marchese Piero Antinori schaffen wird. In den 1980er Jahren geht das Weingut vom „Vater des Supertoskaners“, Marchese Mario, in die Hand seines Sohnes Nicolò Incisa della Rocchetta über.
Mehr als nur Weingut: Kunstgeschichtliches vom Feinsten und Italiens Naturschutzvorreiter
Die Tenuta San Guido – das ist nicht nur Kultwein, sondern auch ein Naturschutzgebiet und Kulturstätte in einem. Zum Weingut gehören 3.000 Hektar vorwiegend hügelige, naturbelassene Wälder und Macchia sowie eine Region von circa 577 Hektaren Süßwasser- und bewaldeter Sumpflandschaft am Tyrrhenischen Meer. Diese wurden 1959 von Marchese Mario zu dem ersten Naturschutzgebiet Italiens umfunktioniert. Der Marchese selbst wird 1966 Mitbegründer des WWF Italien. Aus seiner Idee heraus entstand das traumhafte Vogelnaturschutzgebiet „Padule di Bolgheri“, das vom November bis April mit Voranmeldung besucht werden darf.
Das Haupthaus der adeligen Winzerfamilie ist das erhöht über dem Dorf Bolgheri liegende Castiglioncello, eine Burg, die vermutlich auf eine Anlage aus der Zeit 780 v. Chr. zurückgeht. Kontinuierlich bewohnt, bezeugt die Burg auf vielfältige Weise die unterschiedlichen noblen Familien und Vorfahren der heutige Besitzer, die die Anlage kunsthistorisch (Waffenkammer, Gemälde, Taufstein in der eigenen San Bernardo-Kirche) bereicherten. Castiglioncello ist auch die Geburtsstätte des ersten Kultweins Sassicaia.
Auf einer alten Zypressenallee gelangen die Besucher zu einem runden Oratorium, das von Marchese Simone Maria della Gherardesca, einem Vorfahren des heutigen Marchese Nicolò Incisa, 1703 zu Ehren von San Guido (della Gherardesca aus Pisa) gestiftet und von Steinmetzmeister Romolo Bella aus Fiesole erbaut wurde. Gedacht war das Oratorium für die Andacht der Arbeiter, die das Weingut bewirtschafteten. Aufgrund der großen Malariagefahr in den tiefer gelegenen Ortschaften war es den Grundbesitzern wichtig, ihre Arbeiter nicht an das tödliche Fieber zu verlieren.
Nach diesem historischen Ort ist auch die Weinkellerei San Guido benannt, darüber hinaus schmückt die Zeichnung des runden Oratoriums das Etikett der Guidalberto-Weinflaschen. Der Wein entstand als Hommage an jenen Vorfahren des Marcheses, der die als Sehenswürdigkeit geltende, sechs Kilometer lange Zypressenallee anlegen ließ.
Die Unnachahmlichen aus dem Weinkeller von San Guido
Für den Sassicaia Bolgheri Sassicaia DOC – gestartet 1994 – werden Cabernet Sauvignon- und Cabernet Franc-Trauben handverlesen, sanft zerdrückt und auf natürlicher Hefe in Stahltanks gekeltert, bevor es dann zum Nachreifen in französische Eichenfässer geht. So entsteht ein rubinroter, intensiver und dabei überaus eleganter Wein von komplexen Aromen von dunklen Beerenfrüchten. Dichte, hervorragend ausbalancierte Tannine und eine kompakte Struktur am Gaumen gehen einher mit leicht rauchigen Holznoten und Eukalyptusnuancen mit nachhaltigem Finale. Sein Potenzial entfaltet der Wein nach gut 10 bis 15 Jahren.
Le Difese überrascht mit einem hervorragenden Preis-Leistungsverhältnis der Weinkellerei San Guido. Debütiert ist er 2003 und sofort eine kleine Berühmtheit geworden, die von WINE SPECKTATOR und Robert Parker mit 90 Punkten ausgezeichnet wird. Le Difese besteht aus 70% Cabernet und 30% Sangiovese, lagert 12 Monate in französischen und amerikanischen Eichenfässern und verbringt anschließend noch vier weitere Monate Reifungszeit in der Flasche. Er überzeugt durch seine feine Struktur und Geschmeidigkeit mit Noten von dunklen Beeren und Kirsche, mit Nuancen von Schokolade und mediterranen Kräutern gekoppelt an feinkörnige Tannine. Das Finale ist weich und saftig.
Der zweite im Portfolio der San Guido Weinkellerei ist Guidalberto Toscana IGT, ein Cuvée aus 60% Cabernet Sauvignon und 40% Merlot, 14 Monate in Barriques gelagert. Auch er ist seit seinem Erstverkauf im Jahr 2000 ein Star, den BIBENDER mit Fünf Weintrauben, Parker mit 94+ Punkten und WINE SPECTATOR mit 91 Punkten auszeichnen: „Schüchtern in der Nase mit einem Hauch Gras, dies ist ein schlanker und eleganter Wein mit Aromen von schwarzen Kirschen, schwarzen Johannisbeeren, Erde und Gewürzen“, beschreibt der WINE SPECTATOR.
Tenuta San Guido
Eigentümer: Nicolò Incisa della Rocchetta und Priscilla Incisa della Rocchetta (Tochter)
Gründungsjahr: 1940er Jahre
Önologe: Graziana Grassini (ehem. Giacomo Tachis)
Jahresproduktion: ca. 750.000 Flaschen
Rebfläche: ca. 90 Hektar im konventionellen Anbau
Notabene: Produktion von Olivenöl und Grappa. Castiglioncello öffnet seine Tore für die Öffentlichkeit nur am 16. Juli, dem Fest Unserer Lieben Frau vom Karmel, und ist nur von außen zu besichtigen. Keine Weindegustation. Marchese Mario und sein Sohn gehören weltweit mit zu den besten Züchtern von Rennpferden wie dem legendären Hengst Ribot. Das Gestüt „Razza Dormello Olgiata“ der englischen Pferderasse, Renn- und Übungsstrecken befinden sich auf dem Areal der Tenuta San Guido.