Le Chiuse
Seit seiner Zeit hat sich einiges drum herum verändert, doch wenn man es genauer betrachtet, hält Le Chiuse die Fahne der Tradition unter modernen Vorzeichen hoch. So werden die Weingärten mittlerweile rein ökologisch bewirtschaftet, was wiederum den Ursprüngen des Weinguts entsprechen mag. Auch die Art der Vinifizierung erfolgt in traditionell großen Eichenfässern und der lange Alterungsprozess ist auch keine Neuerung. Das „Moderne“ kommt auf Le Chiuse auf leisen Sohlen und betrifft vielmehr die Erkenntnisse in der Önologie und Rebstock- und Traubenanalyse. Le Chiuse ist seit jeher berühmt für seine Brunello Riservas sowie das Alterungspotenzial seiner Weine, was der Besitzer und Önologe des Weinguts mit 20 Jahren beziffert. Le Chiuse ist eine Urzelle des Brunello di Montalcino, nicht nur im geografischen Sinne als Ursprungsort der Weine von Biondi-Santi, sondern auch aufgrund seiner klassischen fruchtig-beerigen, teilweise erdigen und tabakhaltigen, immer jedoch ausgewogen-komplexen Noten. Bei diesen Weinen wird nicht mit Auszeichnungen gekleckert und so vergibt beispielsweise Robert Parker dem Le Chiuse Brunello di Montalcino DOCG gut und gerne regelmäßig 97 Punkte.
Le Chiuse mit dem unglaublich langen „Atem“
Die Azienda Le Chiuse verfügt insgesamt über 18 Hektar Land zu dem neben Wäldern und Olivenhainen auch acht Hektar Weinberge gehören. Die Weinlagen befinden sich zum Teil an den nordöstlichen Hängen des Montalcino-Bergs, zum Teil südöstlich davon. Es handelt sich dabei um herausragende Lagen auf Höhen zwischen 300 (im nördlichen Teil) und 500 m. ü. M. Der Boden ist maritimen Ursprungs, reich an entsprechenden fossilen Sedimenten, ist aber auch von Tonadern durchsetzt. Tuff- und Schieferabschnitte, so typisch für diese Gegend, werden als Galestro-Böden bezeichnet. Fünf verschiedene Weinlagen gehören zu Le Chiuse, die mit Sangiovese-Grosso-Klonen aus dem Weingut Il Greppo der berühmten Winzerfamilie Biondi-Santi bestockt sind. Ihr Alter variiert zwischen 26, 16, 14, 10 und 2 Jahren. Die Bestockung erfolgt im Kordon-Erziehungssystem mit einer durchschnittlichen Dichte von 4.000 Reben pro Hektar. Le Chiuse ist berühmt für ihre Brunelli als deren Schöpfer Ferrucio Biondi Santi gilt. Er war es auch, der auf den heutigen Weingärten der Chiuse seine besonderen Sangiovese-Klone pflanzte und schon früh herausragende Weine daraus gewann. Sein Bruder, Franco Biondi-Santi, behauptete sogar, dass die Lagen der Chiuse die allerbesten seien. Nun gehören sie einem Nachfahren der Familie Biondi-Santi, nämlich Lorenzo Magnelli.
Seit einigen Jahren arbeitet die Chiuse rein ökologisch. Das bedeutet an erster Stelle eine tiefgreifende Veränderung im Umgang mit den Weinbergen selbst. Dazu gehört der Verzicht auf chemische Pestizide und Herbizide, die Begrünung der Weinberge, natürliche Düngung aus dem selbsterzeugten Kompost, händische Lese und Feldbearbeitung. Eine deutliche Ertragsreduktion sowie starke Selektion bereits am Rebstock sichert ferner die Grundsubstanz des Bodens und die natürlichen Ressourcen der Pflanzen. Dazu dient gleicherweise die sogenannte „grüne Ernte“, die im August stattfindet und darin besteht, circa 50 % der unreifen Trauben zu entfernen. Diese Auslese erfordert große Sachkenntnis und Erfahrung, damit die verbleibenden Trauben sowie die Pflanze selbst sich optimal weiterentwickeln kann und bestmögliches Reifeergebnis liefert. Mit einer solchen Reduktion wird der Rebstock gestärkt und damit indirekt gegen Krankheiten immunisiert. Die echte Ernte und mit ihr auch eine vor Ort vorgenommene Selektion des reifen Traubenmaterials beginnt in der zweiten Septemberwoche. Es werden zunächst die großen Sangiovese-Grosso-Trauben für den „Rosso di Montalcino“ der Chiuse geerntet, wenig später folgen dann die etwas kleineren Varietäten für den „Brunello di Montalcino“ und seinen Riserva-Wein geerntet. Die Nähe zum Weinkeller, der keine 30 Minuten von den Weinbergen entfernt liegt, garantiert eine unverzügliche Verarbeitung von frischem Traubenmaterial.
In der neugebauten, teils unterirdischen Weinkellerei werden die Trauben entrappt und zu Most gepresst, der unter Nutzung der natürlichen Schwerkraft in Edelstahltanks geleitet wird. Dort verbleibt er auf eigenen Hefen unter automatischer Temperaturkontrolle bei circa 29° Celsius für 18 Tage auf der Maische. Die anschließende Reifung erfolgt ausschließlich in großen Holzbottichen. Die Fermentation und Mazeration geschieht unter regelmäßiger Umpumpung, womit eine möglichst vollständige Extraktion der wertvollen Stoffe aus der Traubenhaut erfolgen kann. Anschließend werden die Weine in Edelstahltanks umgefüllt, wo sie drei Monate lang verbleiben und der malolaktischen Gärung unterzogen werden. In Le Chiuse ist Januar der Monat, in dem der Wein schließlich in große slawonische Eichenfässer von 2.000 bis 3.000 Litern umgefüllt wird und nun langsam altern kann. 12 Monate sind es bei dem „Rosso di Montalcino“, 36 Monate bei dem „Brunello di Montalcino“ und 48 bei dem Riserva. Bevor die Weine in die Flasche abgefüllt werden, werden sie noch einmal in Edelstahltanks transferiert und dabei einer vorsichtigen Filterung unterzogen. Auf den Flaschen ruhen sie weitere acht Monate bevor sie dann endlich in den Verkauf kommen.
Brunelli wie Rossi aus dem Hause Le Chiuse bringen ein unglaubliches Alterungspotenzial mit sich und sind – Hand aufs Herz – nichts für die „Schnelltrinker“ und den Weinliebhabern. Will man die Chiuse-Brunelli aber dennoch so schnell wie möglich genießen, dann sollte man sie mindestens einen Tag lang dekantieren (bei dem Riserva tendenziell eher mehr). Der Gutsbesitzer meint hingegen, der Riserva braucht 20 Jahre auf der Flasche, um seine volle Kraft und Komplexität zu entfalten…
Le Chiuse und seine berühmte Herkunft
Das alte Weingut, das ehemals der Familie Tamanti gehörte, besteht aus typisch toskanischen Wohn- und Arbeitsgebäuden, die auf das Jahr 1840 datiert sind, und inmitten der eigenen Weinberge an den Hängen von Montalcino liegen. Wie so häufig in dieser Region reichen die historischen Wurzeln des Anwesens wesentlich weiter zurück. Das Land wurde vor Jahrhunderten bereits im typischen Mischanbau von Weizen, Wein und Oliven beackert. Die Familie Biondi-Santi erbte das Anwesen durch die Heirat zwischen Maria Tamanti und Clemente Santi. Aus dieser Verbindung ist Catarina Santi geboren, die ihrerseits Jacopo Biondi heiratete. Es war Catarinas Wunsch, dass ihr Sohn Ferruccio dem Namen seines Vaters zukünftig auch den Mädchennamen seiner Mutter hinzufügte. Ferruccio Biondi-Santi zeichnete sich nicht nur als Kämpfer für die Unabhängigkeit und Einigung Italiens unter Garibaldi aus, sondern war letztendlich der eigentliche Gründer des heutigen Weinguts Le Chuise, das er zusammen mit dem primären Sitz und Weingut der Familie, dem Il Greppo, bewirtschaftete. Er war es, der eine sorgfältige Rebenauswahl und stetige Züchtung der Varietäten vorantrieb und schließlich einen Klon der Sangiovese-Grosso-Sorte bevorzugte, die ihn zum ersten Brunello di Montalcino führte. Nachdem sein Sohn Tancredi ganz im Sinne des Vaters das Weingut optimierte, übernahm nach seinem Tod seine Tochter Fiorella, verheiratete Valiani, das Le Chiuse und erbte zusätzlich noch zwei andere Grundstücke. Sie musste vor ihrem Vater das Versprechen ablegen, das Weingut niemals zu verkaufen, denn sein großer Wunsch war es, dasjenige Anwesen in Familienhand zu erhalten, auf dem die berühmt gewordenen Riservas des Brunello di Montalcino ihren Ursprung hatten. Fiorella hielt sich an das gegebene Versprechen, indem sie das Farmland samt der Weinberge an ihren Bruder Franco Biondi-Santi verpachtete, der wiederum das Familienweingut Il Greppo geerbt hatte, und nun wie früher die Trauben der Le Chiuse in seinem Weinkeller vinifizierte. Mit dem Tod Fiorellas im Jahr 1986 übernahm ihre Tochter Simonetta, verheiratet mit Nicolò Magnelli, die Erbgrundstücke ihrer Mutter. Ganz nebenbei erbte sie auch die Liebe ihres Großvaters Tancredi zu Wein und Weinbergen, denn sie begann nun auf der Le Chiuse ihre eigenen Weine im Stile ihres Vorfahren zu vinifizieren. Ihr zur Seite stand ihr Ehemann Nicolò und später ihr Sohn Lorenzo, der schließlich heute die Leitung des Weinguts innehat. Ihm ist auch eine grundlegende Restaurierung des Anwesens und der gutseigenen Kapelle, sowie der Bau eines unterirdischen Weinkellers sowie Erneuerung der Weinberge zu verdanken.
Hervorragende, klassische Brunello-Palette aus berühmter Familientradition
Le Chiuse ist hochgradig auf Sangiovese-Weine spezialisiert und bietet ein kleines, auf den Punkt gebrachtes Portfolio mit Brunello di Montalcino DOCG, Rosso di Montalcino DOCG und dem Riserva des Brunello di Montalcino. Daneben produziert das Weingut einen Schaumwein, den Spumante Brut „Stellare“, der nach der Metodo Classico, der klassischen Champagnermethode, hergestellt wird. Le Chiuse rühmt sich, das erste Weingut in Montalcino zu sein, das einen solchen Spumante vinifiziert. Der Spumante wird aus Sangiovese Grosso gemacht, die, um die knackige Frische zu erhalten, früh geerntet wird. Der Wein verbleibt 24 Monate auf der eigenen Hefe in der verkorkten Flasche.
Die Brunelli der Le Chiuse brauchen Zeit, Zeit und noch einmal Zeit. Wenigstens Luft und Dekantierung von mehreren Stunden bis Tagen sind vonnöten, um das besonders intensive Bouquet und die komplexen Gaumennoten dieser Weine zur Entfaltung zu bringen. Intensivität paart sich bei diesen herausragenden Weinen mit Frische und fruchtigen, beerigen Nuancen. Am Gaumen kommen langanhaltende, deutliche Körpernoten mit komplexen Übergängen. Das Geheimnis liegt in der ausgewogenen Koexistenz von Frische, Fruchtigkeit, gut ausgebauter Tannine und Säure. Sie paaren sich umso besser, je länger man der Flaschenöffnung widersteht.
Le Chiuse
Gründungsjahr: Ende 18. Jahrhundert
Eigentümer: Simonetta Valiani
Önologe: Valentino Ciarla und Lorenzo Magnelli (Kellermeister)
Jahresproduktion: ca. 30.000 Flaschen jährlich
Rebfläche: 8 Hektar in ökologischem Anbau
Notabene: Neben Wein und Schaumwein produziert Le Chiuse auch Grappa und traditionell auch ein fruchtiges Olivenöl Extra Vergine. Für eine Besichtigung der Weinkellerei bittet Le Chiuse um eine Voranmeldung. Darüber hinaus bietet das alte Bauerhaus vier sehr gemütliche Appartements ausgestattet mit Kamin und einem gemeinschaftlichen Pool. Eine der kleinen, für mich aber die schönste Unterkunft ist in der ehemaligen Kapelle des Weinguts untergebracht. Das Weingut eignet sich auch hervorragend als Domizil für Wanderer, die auf dem Panoramaweg der antiken Via Francigena sich auf mittelalterlichen Spuren der aus Nordeuropa kommenden Pilger auf ihrem weg nach Rom begeben können. Auch das UNESCO-Weltkulturerbe, das Naturschutgebiet Val d’Orcia, ist nur einen Katzensprung von den Weinbergen entfernt.