Opus One
Einige unken, die raren und zu den teuersten Weinen zählenden Opus-One-Weine, werden vor allem von Neureichen aus Russland getrunken, und zwar wegen des Prestiges, weniger wegen dem Geschmack. Dass hier der Preis – der Connaisseur greift tief in die Tasche und ist mit mindestens 300,- Euro pro Flasche erst mit von der Partie – mehr zähle als die Qualität… Das ist natürlich purer Unsinn. Berechtigterweise gelten die Opus-One-Weine als die besten Weine „made in USA“ und können sich genauso gut auf internationalem Weinparkett behaupten. Die „97 plus“, die Robert Parker dem Opus One vergibt – seine Bewertung lag nur ein einziges Mal unter 95 Punkten – spricht Bände. Zu Recht werden die Opus-One-Weine als die Bordeaux Kaliforniens bezeichnet, denn das war auch das gesteckte Ziel der beiden Gründer. Allerdings hat sich der moderne Opus One von diesem Image ein wenig distanziert und ist ein durch und durch selbständiger Wein von sehr hoher Qualität geworden. Ob er des Geldes wert ist? Am Ende entscheidet darüber die persönliche Vorliebe eines jeden Weinliebhabers.
Opus One: ein Wein-Monument im Napa Valley
Das Weingut Opus One beansprucht mit seinen vier Weinparzellen im westlichen Oakville die besten Lagen im kalifornischen Weinland Napa Valley. Gut 40 Hektar (zwei Parzellen) liegen in der berühmten To-Kalon-Lage und werden durch 28 Hektar Weinberge in den nicht minder guten Ballestra- und River-Parzellen ergänzt. Mittlerweile gehören zu dem Estate insgesamt über 110 Hektar Rebland, das in der Rutherford Appellation liegt. Hier wachsen ausschließlich die wichtigsten Bordeaux-Varietäten wie Cabernet Sauvignon, Petit Verdot, Cabernet Franc, Merlot und Malbec.
Die Arbeit in den Weinbergen und im Weinkeller wird in einem Spagat zwischen Tradition und Innovation erledigt. Überall dort, wo es zum Wohle der Trauben und der Weine geschieht, werden traditionelle Verfahren eingesetzt. Die Ernte beispielsweise geschieht ausschließlich händisch. Modernste Techniken, Vinifizierungsverfahren und Forschung werden bei Opus One in sinnvoller Ergänzung zu Tradition praktiziert. Obwohl das Estate im wesentlichen konventionell im Anbau arbeitet, wird auch hier Umweltschutz zunehmend groß geschrieben. Vor allem wenn es um den Verbrauch von Energie und Wasser geht, gefolgt von Abfallgestaltung und Transport wird im Opus One wert auf verantwortungsvollen, sparsamen Umgang gelegt. So gehört das Estate zu der Initiative „Napa Valley Vintners – Napa Green“ und wurde von ihr als ein umweltfreundliches Weingut zertifiziert. „Napa Green“ schreibt sich unter anderem auf die Fahnen: „Die Praktiken von Napa Green Land schützen den Boden, verringern schädliche Einträge und stellen natürliche Lebensräume wieder her. Die Teilnehmer der Napa Green Winery überwachen Energie, Wasser und Abfall und schonen Ressourcen. Die Mitarbeiter sind auf Schritt und Tritt engagiert.“
Für die „Kunst im Keller“ ist seit 2001 der Meister seines Fachs, der Weinmacher Michael Silacci, dessen familiäre Wurzeln im Tessin liegen und er selbst auf einem Bauernhof in Kalifornien aufgewachsen ist, verantwortlich. Unter seiner Führung sind einige Neuerungen passiert. Zu den ungewöhnlichsten zählt die (zeitlich) sehr frühe Ernte. Sie beginnt ab 2:00 Uhr nachts unter Einsatz von Flutlichtern – eigentlich keine Maßnahme, die man als umweltfreundlich bezeichnen kann. Als Begründung für diese frühe Pflückung gibt Silacci die hohen Tagestemperaturen an, die dazu führen, dass die Trauben schrumpfen, während sie Wasser an die Umgebung abgeben, und dadurch wesentlich konzentrierter ausfallen. Wer dennoch leichtere, elegantere Weine produzieren möchte, der greift mitunter zu solchen ausgefallenen Aktionen. Da die Nächte im Napa Valley empfindlich frisch ausfallen können und sogar Frost möglich ist, hat der Weinmacher Gebläse an den Weinstöcken anbringen lassen, um im Falle einer Frostattacke warme Luft über die Weingärten zu blasen. Zurecht steht im Raum die Frage, wie solche Vorrichtung mit „Napa Green“ zu vereinbaren ist. Während der Vinifizierung kommen ausschließlich neue Barriques aus französischer Eiche zum Einsatz. Mindestens 18 Monate später wird der Wein in Flaschen abgefüllt, wo er weitere 15 Monate altert. Fast schon ein Ritual ist die jährlich immer am 1. Oktober stattfindende Veröffentlichung der aktuellen Weine.
Die Geschichte eines denkwürdigen Joint Venture
„Opus One“ begann lange bevor es dann offiziell aus der Taufe gehoben wurde. Die Geschichte um dieses monumentale Weingut ist schon vielfach ausführlich beschrieben und mit allerlei Bonmots angereichert worden. Fakt ist, dass das Joint Venture zwischen den zwei Berühmtheiten auf dem Weinparkett – dem kalifornischen Wein-Guru Robert Mondavi und dem französischen Wein-Guru Baron Philippe de Rothschild (vom Château Mouton Rothschild) – ein Ritterschlag für die kalifornischen Weine aus Napa Valley und die Krönung des Lebenswerks von Mondavi darstellt. Bereits 1970 wird die erste Idee einer engen Zusammenarbeit zwischen den beiden Protagonisten von Robert Mondavi formuliert, als er zum ersten Mal auf Baron Rothschild in einem Hotel auf Hawaii trifft. Acht Jahre später – und einige persönliche Gespräche und Besuche zwischen Robert Mondavi und dem Baron de Rothschild weiter – reiste Mondavi in Begleitung seiner Tochter Marcia in das Château Mouton des Philippe de Rothschild nach Pauillac. Bei diesem Besuch im Jahr 1978 wurde das sich lang anbahnende Joint Venture und die anvisierte Gründung eines gemeinsamen Weinguts im Napa Valley geradezu im Schnelldurchgang offiziell beschlossen. Ein Bonmots erzählt, dass der Baron diese weitreichende Entscheidung noch im Schlafanzug am Frühstückstisch getroffen hätte.
Doch wie so häufig, der Teufel steckt im Detail, zum Beispiel in der umstrittenen Frage, wie die Zusammenarbeit bildlich zum Ausdruck kommen soll. Und so dauert es noch seine Zeit bis die Verträge rechtliche Gültigkeit fanden und das Vorhaben in Kalifornien umgesetzt wurde. Die beiden Gründer einigten sich am Ende auf das Emblem eines Doppelporträts, das aus ihren beiden Profilen kompiliert wurde. Den Namen „Opus One“ und das erste Team samt technischem Knowhow steuerte Philippe de Rothschild bei, während Robert Mondavi die Weintrauben und die Vinifizierung der ersten Jahrgänge übernahm. Die Önologen der ersten Stunde waren Lucien Sionneau (von Philippe de Rothschild A.S.) und Timothy Mondavi (vom Mondavi Winery). Die ersten zwei Jahrgänge 1979 und 1980, die nicht für den Export bestimmt waren, wurden zusammen im Jahr 1984 der amerikanischen Öffentlichkeit präsentiert und gewisserweise als „Testflaschen“ nur an US-Händler ausgeliefert. Erst im Jahr 1988 begann Opus One seine Weine nach Frankreich, Deutschland, Schweiz und England auszuliefern. Den Anfang machte der Jahrgang 1985. Heutzutage beliefert das Unternehmen 65 Länder.
Im Jahr 1981 verkaufte Robert Mondavi circa 14 Hektar der herausragenden Lage To-Kalon an das Joine Venture und legte damit den Stock für das nun selbständige Opus One Estate. 1983 kaufte das Joint Venture in Oakville die Ranch „The River Parcel“ und verlegte den Sitz vom Mondavi-Weingut in die neue Location. Erst 1989 wurde der Entschluss gefasst, dem Opus-One-Wein eine eigene Kellerei zu geben. 1991 war das Einweihungsjahr des neuen und aufsehenerregenden Gebäudes der Opus One Winery. Bis heute ist es ein Mekka für Wein- und Architekturenthusiasten gleichermaßen.
Als im Jahr 2004 die Constellation Brands die Robert Mondavi Winery übernahmen, fielen ihr auch die 50% Anteile am Opus One. Doch diesen Wechsel erlebte der 1988 verstorbene Philippe de Rothischild nicht mehr. In Absprache zwischen Robert Sands, dem Präsidenten der CB, und Philippine de Rothschild-Sereys, der Leiterin des Familienunternehmens Philippe de Rothischild S.A., wird Opus One im Weinbau, Verwaltung und Vertrieb unabhängig und im Sinne der Gründer weitergeführt. Im selben Jahr wurde Michael Silacci zum neuen und alleinigen Geschäftsführer (CEO) der Opus One Winery. Ein Novum, denn bis dato wurde der Posten von zwei Vertretern der Gründer geteilt. Zuletzt waren es Peter Ventura für Mondavi Winery und Douglas Morton für Rothschild. Nach dem Tod von Philippine de Rothschild-Sereys (2014) übernahm ihr Sohn, Philippe Sereys de Rothschild, die Leitung des Unternehmens, zu dem Opus One weiterhin zu 50% gehört.
Opus One: ein Weingut als architektonisches Mekka der USA
Man kann ohne zu übertreiben sagen, dass 1989 mit dem Bau der Weinkellerei einer der aufsehenerregendsten Bauten in der Geschichte von Weingütern begonnen wurde. Das Gebäude für das Opus One Estate entwarf kein geringer als der Stararchitekt Scott Johnson und sein Architektur- und Interieurbüro „Johnson Fain“. Der vielschichtige, dennoch klar strukturierte Baukörper verbinden nordamerikanische Symbolik mit europäischen Stilelementen auf eine so spektakuläre wie ausgewogene Weise, dass das Opus One Weingut zu einem Mekka für Wein- wie Architekturstudenten gleichermaßen wurde – und seinem Architekten gleichzeitig zahlreiche Auszeichnungen bescherte. Das Gebäude sitzt auf der Kuppe eines Weinhügels und verzichtet aufgrund des hohen Grundwasserspiegels auf einen in die Tiefe gebauten Keller. Durch die an das abschüssige Terrain angepasste Architektur kommt der Weinkeller ohne Einsatz von Förderbändern und Pumpen aus und arbeitet ausschließlich mit natürlicher Schwerkraft. Die Außenhaut des Baukörpers ist aus sandsteinfarbenen Steinplatten aus Texas, die in Korrespondenz mit der klassischen Architektur der Châteaux Mouton de Rothschild stehen. Das Holz, das im Inneren Akzente setzt, stammt von kalifornischen Eichen. Zu den Besonderheiten des Baus gehört die aus einem Betonguss gebaute, freitragende Treppe, die in den runden Weinkeller mit den in Spiralen angeordneten 1.000 Barriques führt. Inmitten dieses Labyrinths liegt der Verkostungsraum. Zur Innenausrichtung gehören nicht nur ausgesucht schöne Designerobjekte der zeitgenössischen Möbelkunst, sondern auch der von Philippe de Rothschild beigesteuerte italienische Barockspiegel, der aus dem Fürstenhaus der Medici stammte. Eine ganz besondere Atmosphäre, passend zum Degustieren der besonderen Opus-One-Weine, schafft der rund angeordnete Innenhof, den Robert Mondavi als Hommage an seine italienische Herkunft mit 100 Jahre alten Olivenbäumen bepflanzen ließ.
Das berühmte, sündhaft-teure Minimal-Portfolio des Opus One
Das Weingut produzierte lange Zeit nur eine einzige Weinsorte, den „Opus One“, eine Cuvée aus verschiedenen Bordeaux-Varietäten. Die Zusammensetzung des Cuvées variiert von Jahrgang zu Jahrgang ein wenig. Meistens handelt es sich dabei um das Verhältnis von 80% Cabernet Sauvignon, 7% Petit Verdot, 6% Cabernet Franc, 5% Merlot und 2% Malbec. Der historische Opus One hatte noch wesentlich mehr Carbernet-Sauvignon-Anteile und war dem echten Bordeaux ähnlicher. Heute ist der Opus One komplexer und eigenständiger, weder ein typischer Kalifornier noch ein typischer Bordeaux.
Wer den Wein jung trinkt, wird möglicherweise etwas enttäuscht sein, denn sein Potenzial entfaltet der Opus One erst nach mindestens sieben Jahren, besser mehr, auf der Flasche. Das scheint offenbar jedoch wenige zu stören, denn das Estate berichtet, dass 95% des ausgelieferten Weinflaschen bereits im ersten Jahr getrunken werden.
Bei den Opus-One-Cuvées handelt es sich um elegante, am Gaumen cremige Weine, die durch ausbalancierte, feine Tannine und fruchtige Körper mit überaus komplexer Struktur begeistern. Das Bouquet ist vielschichtig, vordergründig nach reifen roten Kirschen, dunklen Beeren, frisch erblühten Blumen und knackigen Kräutern. Der Finish ist lang, anhaltend und mit neuen Nuancen gekrönt. Hier liegt das Spektrum zwischen Lakritze, weißem Pfeffer und Schwarztee.
Seit neustem gesellt sich zu dem Erstwein ein zweiter dazu, die „Opus One Overture“. Der Unterschied zwischen den beiden liegt nicht nur im Preis – Overture ist um einiges günstiger –, sondern auch in der Trinkbarkeit. So präsentiert sich der Zweitwein schon jung als ein zugänglicher, am Gaumen geschmeidiger Begleiter. Wie der Erstwein so ist auch „Ouverture“ eine Cuvée aus fünf Bordeaux-Rebsorten und bildet einen Zusammenschluss aus mehreren Jahrgängen (dem aktuellen und zwei Vorgängerjahren). Bei dieser Fassselektion waren den Weinmachern die Fässer des Erstweins nicht gut genug und der Erstwein wurde zur „Ouverture“ verarbeitet. Auch dieser Wein hat eine gute Lagerfähigkeit und wird sich mit der Zeit weiterentwickeln.
Opus One
Gründungsjahr: 1978
Eigentümer: 50% Constellation Brands und 50% Baron Philippe de Rothschild S.A.
Weinmacher/Geschäftsführer: Michael Silacci
Jahresproduktion: ca. 300.000 Flaschen
Rebfläche: über 110 Hektar im konventionellen Anbau
Notabene: Das legendäre Weingut kann nach einer Voranmeldung und/oder Buchung via Internet besichtigt und die Weine degustiert werden. Wer die Opus-One-Weine per Glas vor Ort genießen möchte, muss tief ins Portemonnaie greifen: 2013 waren es 45,- US-$ per 0,1 Liter-Glas. Eine Besonderheit des Estate ist das Ritual, das an die Gründer und den ersten transatlantischen Joint Venture erinnern soll: Jedes Jahr am 14. Juli werden am Eingang des Weinguts die französisch und die US-amerikanische Flagge gehisst, wo sie schon mal wochenlang wehen.